"Die Kirche verheimlicht ihre Sünden nicht." Das betonte der vatikanische Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone zum Abschluss seines Besuchs in Chile. Pädophilie sei "eine Herausforderung für die Staaten, aber auch für alle Menschen", sagte Bertone laut Berichten vom 9.4.. "Keine Institution hat so viel wie die Kirche unternommen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen", betonte der Kardinal. Pädophilie sei in anderen Gruppen viel weiter verbreitet als in der Kirche. "Die Priester sind vielleicht 1,2 Prozent der Gesamtzahl" an Pädophilen, so Bertone laut Berichten italienischer Medien. (aus ORF-Meldung vom 9.4.2010)
Rechnen wir ein bisschen mit diesen 1,2 Prozent. Es gibt zurzeit knapp
sieben Milliarden Menschen, der Einfachheit halber nehmen wir an, davon seien
2,5 Milliarden Männer über fünfzehn (es gibt auch recht junge Pädophile). Weltweit gibt es jetzt etwa 400.000 Priester, der Anteil
der Priester an der Weltbevölkerung der Männer über fünfzehn läge somit bei
0,016 Prozent (16 Hundertstel Promill).
Bei einer gleichmäßigen Pädophilenverteilung
müsste auch der Anteil an Pädophilen unter Priestern in etwa im Bereich dieser
0,016 % liegen. Wenn jedoch laut vatikanischer Aussage der Anteil an den Pädophilen
bei 1,2 Prozent liegt (das heißt, 98,8 Prozent der Pädophilen sind keine
Priester), dann muss man die 1,2 % durch 0,016 % dividieren, das ergibt 74,52:
somit übersteigt der Anteil der Priester an den Pädophilen ihren Anteil
an der entsprechenden Weltbevölkerung fast um das 75-fache. Ob sich der Herr Bertone darüber im Klaren war, was er
da gesagt hat?
Auf welche Art könnte Bertone zu den 1,2 Prozent
gekommen sein?
Wieviele Pädophile es weltweit gibt, steht nicht einmal
in Wikipedia. Aber probieren wir es einmal mit Vermutungen: Jeder zehntausendste
Mann ab 15 Jahren sei pädophil. Das ergäbe ca. 250.000. Wenn sich diese 250.000
nun auf 98,8 % Nichtpriester und auf 1,2 % Priester verteilten, wären es 3.000
katholische Priester und 247.000 Nichtpriester. Was hieße: von 133 Priestern
wäre einer pädophil, bei den anderen wäre es einer von zehntausend, also 10.000
dividiert durch 133 ist gleich 75 - also es wären auch auf diese Rechnung 75
mal
mehr Priester pädophil also andere, siehe oben.
Dass Bertone wirklich
Zahlen über den Weltbestand an pädophilen Männern hat und weiß, dass davon 1,2
Prozent auf den katholischen
Priesterstand entfallen, ist etwas unwahrscheinlich. Als wahrscheinlicher
erscheint es, dass er mittels Zahlen eine Entlastung versuchte, aber nicht dividieren
kann und außerdem keinerlei Sinn für Proportionen hat.
Hier eine Vermutung über
Bertones Rechenkünste: Er könnte schlichtweg gegoogelt haben (bzw. jemanden
damit beauftragt) mit dem Ergebnis: 2007 gab es laut Wikipedia 3.366.743.000 Männer
auf der Welt und 407.262 Priester. Dann wurde im Vatikan vielleicht gerechnet:
wieviel Prozent
der Männer sind Priester und hat deswegen Priester durch Männer dividiert, möglicherweise
kam man dabei auf 0,012118, also abgerundet auf 1,2 Prozent. Das aber nur, weil
man die Kunst der
vierten Grundrechnungsart nicht beherrschte, also beim Dividieren den Stellenwert
nicht bestimmen konnte. Denn 407.262 dividiert durch 3.366.743.000 ergibt 0,00012118,
also 0,12 Promille! Bertone wollte möglicherweise mit einer Zahl aufwarten:
Der Anteil der Priester an den Pädophilen liegt gleichauf mit dem Anteil
der Priester an der Weltbevölkerung, ist somit nicht besser und nicht schlechter.
Er hätte sich dabei bloß beim Dividieren um das 100-fache vertan und bei den
Männern auch die männlichen Kinder als mögliche Pädophile mit eingerechnet,
ferner nicht begriffen, dass ein Anteil von 1,2 % nicht niedrig,
sondern extrem hoch wäre.
Abschließend daher zwei Vermutungen:
1.
Kardinalstaatssekretär
Bertone hatte tatsächlich Zahlen über Pädophile im Allgemeinen und unter Priestern
im Besonderen, war aber nicht in der Lage, einen Anteil von 1,2 Prozent richtig
einzuschätzen - dann wäre es Tatsache, dass auf einen zivilen Pädophilen 75
Priester kommen.
2. Bertone wollte der Öffentlichkeit eine Wuchtel drucken
und ist dabei an seinen Rechenkünsten gescheitert.
Eine dritte Möglichkeit ist
schwer vorstellbar.