Atheisten wollen Papst festnehmen lassen

Haftbefehl gegen den Papst? Wegen des Missbrauchsskandals wollen die prominenten Atheisten Richard Dawkins und Christopher Hitchens die Justiz drängen, Benedikt XVI. bei seinem Großbritannien-Besuch festnehmen zu lassen. Er habe sich Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht.

London - Dass der Bestsellerautor und Chef-Atheist Richard Dawkins wenig Begeisterung für den Papst empfindet, ist soweit bekannt. Dass er ihn gleich ins Gefängnis werfen lassen möchte, ist allerdings neu. Zusammen mit seinem Autorenkollegen Christopher Hitchens ("God is not great") hat Dawkins nun eine Initiative gestartet, um genau das zu erreichen. Der Plan der beiden streitbaren Briten: Benedikt XVI. soll hinter Schloss und Riegel. Grund ist der Umgang der katholischen Kirche mit dem Missbrauch von Kindern durch Priester.

Dawkins und Hitchens werfen dem Papst vor, die Vorkommnisse gezielt verschleiert zu haben. "Dieser Mann steht nicht außerhalb der Gesetze. Das institutionalisierte Verschweigen der Vergewaltigung von Kindern ist ein Verbrechen nach jedem Gesetz", wird Autor Hitchens in der britischen "Times" zitiert. Zusammen mit Dawkins hat er die beiden Menschenrechtsanwälte Geoffrey Robertson und Mark Stephens auf den Fall angesetzt.

Geht es nach dem Willen der Atheisten, soll die britische Justiz beim geplanten Großbritannien-Besuch des Papstes vom 16. bis 19. September zuschlagen. Dann soll Benedikt XVI. London, Glasgow und Coventry besuchen. Dawkins und Hitchens werfen dem Kirchenführer Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Das ist ein völkerstrafrechtlicher Tatbestand, der seit den Nürnberger Prozessen im Jahr 1945 verwendet wird. Dabei geht es nach dem Verständnis des Internationalen Strafgerichtshofes normalerweise um Taten, die weit verbreitet oder systematisch sein müssen.

Die Atheisten und ihre Anwälte gehen nach eigenen Angaben davon aus, dass der Papst sich bei seiner Großbritannienreise nicht auf seine diplomatische Immunität berufen könnte - obwohl es sich um einen Staatsbesuch handelt. Der Vatikanstaat, an dessen Spitze Benedikt XVI. steht, sei schließlich nicht "von den Vereinten Nationen anerkannt", sagte der Jurist Stephens. Allerdings hat der Heilige Stuhl einen Beobachterstatus bei der Uno.

Das Verhältnis zwischen Dawkins und der katholischen Kirche dürfte der Vorstoß noch weiter verschlechtern - wenn das denn überhaupt geht. So hatte der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner in einer Predigt im vergangenen Jahr Dawkins' Ideen mit denen des Nationalsozialismus verglichen.

Welche Folgen die Ankündigungen für die Reisepläne des Papstes haben werden, muss sich zeigen. Die frühere israelische Außenministerin Zipi Livni musste im vergangenen Jahr eine Großbritannien-Reise wegen eines ähnlichen, allerdings konkreteren Falles absagen. Palästinenser hatten sie wegen angeblicher Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen verklagt. Ein Gericht in London hatte einen Haftbefehl wegen des Vorwurfs erlassen, dass israelische Soldaten während des Gaza-Kriegs an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sein sollen.

(aus SPIEGEL ONLINE PANORAMA vom 11.4.2010)