Der Vatikan ist aktiv beim Aussitzen der Probleme

Solange es irgendwie ging, wurde vertuscht. Die katholische Kirche war auch im säkularen Europa eine Institution, die sich darauf verlassen konnte, dass ihre Skandale keine hohen Wellen schlugen. In Österreich brachte etwa der Skandal im Fall Groër im Jahre 1995 keine schwerwiegenden Folgen. Obwohl die heuer bekannt gewordenen Fälle ja zu beträchtlichen Teilen vor 1995 passiert waren, ging damit niemand an die Öffentlichkeit. Als 2004 ein Opfer sich im Alleingang an die Öffentlichkeit wandte, half selbst der Auftritt im Fernsehen nichts (siehe Info Nr. 159), das Thema blieb tabu.

Erst 2010 gab es den Durchbruch in Deutschland und in Österreich. Nach den Vorfällen in der Berliner Jesuiten-Schule kam die Lawine ins Rutschen und war nicht mehr aufzuhalten. Menschen, die jahrzehntelang geschwiegen hatten, weil es ihnen einfach peinlich war, Priestern als Sexobjekt gedient zu haben, meldeten sich haufenweise.

Die alleinseligmachende r.k. Kirche war darüber nicht selig. Man schlug gleichzeitig verschiedene Wege zur Bewältigung ein. Öffentliche Reue und Zerknirschung, Hinweise auf Kinderschänder im nichtkirchlichen Bereiche, die Sexualaufklärung aus der 1968-er-Ära als Ursache, Abstreiten des jahrzehntelangen Vertuschens usw.

Einige Äbte und Bischöfe gerieten in die Schusslinie der Kritik, auch Papst Ratzinger und jüngst auch sein Vorgänger wurden mit Vertuschungsvorwürfen konfrontiert. Natürlich alles nicht wahr. In Irland traten Bischöfe ab, in Belgien wurde ein Bischof abgetreten, nachdem er als Kinderschänder geoutet worden war, in Deutschland hielt es Bischof Mixa zuerst nicht für wahr, dass er als Pfarrer Kinder verprügelt hätte, dann fiel es ihm wieder ein und er suchte um Frühpensionierung an (was der Kirche wurscht sein kann, in der BRD zahlt der Staat die Bischofspensionen, also wird der Steuerzahler gestraft).

Jetzt rechnet der Präfekt der römischen Glaubenskongregation (früher: Inquisition), Kardinal William Levada, mit weiteren Amtsverzichten von Bischöfen, wie er am 27.4.2010 in einem Interview mit dem US-TV-Sender PBS sagte. Weiters meinte er, die Kirche befinde sich in einer großen Krise und niemand sollte versuchen, das abzuschwächen. Aber dann tut er es gleich selber, indem er die Leier von der sexuellen Revolution anstimmt, denn die Ursachen des Missbrauchsskandals lägen auch im gesellschaftlichen Wandel, der das Leben "als zölibatärer Mensch in einer Zeit der sexuellen Revolution" betreffe. Den Medien wirft Levada vor, den Interessen von Opferanwälten nachgegeben und kein ausgewogenes Bild vermittelt zu haben. Zum Papst und dessen Verhalten zum Skandal sagte er, auch wenn das Krisenmanagement nicht der Ausbildung und dem beruflichen Hintergrund des Papstes entspreche, sei Benedikt XVI. "der richtige Mann, um die Kirche in dieser Zeit zu führen".

Klingt lustig, Ratzinger war vor seiner Papstwahl der Chef der Abteilung, die früher "Inquisition" hieß und jetzt hat er keine entsprechende Ausbildung? Gut, können tut er das nicht, was von einem Krisenmanager erwartet würde. Aber er probiert das, was katholischer Brauch ist: Aussitzen.

Ein Bregenzer Gerichtspsychiater sagte übrigens dieser Tage, nur 0,3 Prozent der Kinderschänder kämen aus dem kirchlichen Bereich (ein Vatikanfunktionär hatte den Anteil auf 1,2 Prozent geschätzt, siehe Info Nr. 144). Da jedoch der Anteil der Priester deutlich unter 0,3 Prozent der Bevölkerung liegt, wären Priester auch mit dieser Zahl auf dem Gebiet von Kinderschändungen deutlich überrepräsentiert.

In Österreich hat Täteronkel Schönborn die Opfertante Klasnic installiert und hofft wohl nun darauf, dass alles katholisch geordnet abläuft. Vielleicht treten noch ein paar höhere Kirchenfunktionäre in den Ruhestand, z.B. der Watschenfreund Fischer (Bischof in Vorarlberg), vielleicht werden in Hinkunft nur noch Priesterkandidaten geweiht, die verschnitten sind oder in einer sicheren Zweierbeziehung leben, weil es sowieso schon egal ist, ob noch ein paar Leute mehr heucheln, zölibatär zu leben. Laut Informationen aus dem Vatikan soll der Papst beabsichtigen, zum Abschluss des sogenannten "Priesterjahres" am 11. Juni um Vergebung für die sexuellen Vergehen katholischer Kleriker zu bitten.

Und dann ist alles wieder gut? So einfach wird es nicht gehen. Der Ruf ist ruiniert und der wächst so schnell nicht mehr nach.