Die Kirche rund um Kardinal Schönborn zieht alle
PR-Register, um eine offensichtlich gefürchtete staatliche
Untersuchungskommission durch eine eigene, vorgetäuscht "unabhängige” Kommission
zu verhindern. Dass die von Schönborn designierte Kommissions-Leiterin Waltraud
Klasnic jedoch keineswegs unabhängig ist, zeigt auch die Tatsache, dass ihr im
Jahre 2003 der päpstliche "Gregorius-Orden für den Eifer in der Verteidigung der
katholischen Religion" verliehen wurde. Es ist dies eine der ranghöchsten
Auszeichnungen, die der Papst an Laien verleiht. "Wer immer in dieser Kommission
sitzen mag, sie ist und bleibt eine von der Kirche und damit von Tätervertretern
eingesetzte, bezahlte und gesteuerte Gruppe”, ärgert sich Klaus Fluch von der
Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt. Die Plattform sieht die Kommission als
bloßes Feigenblatt, um die Gründung einer staatlichen unabhängigen Kommission
nach irischem Vorbild zu verhindern.
Will Kirche ranghohe Vertuscher und Mitwisser schützen?
Aufgrund der hohen Zahl der bisher eingegangenen Anrufe von Opfern
ist von einer extrem großen Betroffenen-Dunkelziffer auszugehen. Angesichts
eines Kriminalfalls von so außergewöhnlicher Dimension mit derart zahlreichen
Mitwissern -wie sich zeigt sind nachweislich österr. Bischöfe involviert -ist
längst jenes Maß erreicht, wo der Staat der Kirche nicht mehr länger die
Aufklärung der Verbrechen überlassen darf. "Wenn es der Kirche mit ihrem
behaupteten Willen zur Aufklärung ernst ist, dann ist es ihre Pflicht, ihre
geheimen Archive der Gewaltverbrechen umgehend zu öffnen und an die Behörden zu
übergeben", fordert Klaus Fluch von der "Plattform Betroffener kirchlicher
Gewalt". Es ist zu befürchten, dass etwaige Ergebnisse der Klasnic- Kommission
einmal mehr in geheimen Kirchenarchiven im Vatikan landen. So würden eine
strafrechtliche Verfolgung und auch Schmerzensgeld-Zahlungen verhindert. In
diesem Zusammenhang fordert die Plattform Betroffener Kirchlicher Gewalt einmal
mehr eine unabhängige staatliche Untersuchungskommission nach dem Vorbild
Irlands.
Die Plattform Betroffene kirchlicher Gewalt hat seit
Installierung der Hotline 0699 / 10 369 369 bisher 260 Anrufer verzeichnet.
"Die Betroffenen fühlen sich von der Republik im Stich gelassen. Die
meisten fordern, dass es seitens der Regierung eine kirchenunabhängige Untersuchung
gibt", sagte Philipp Schwärzler, Psychologe im Wiener Kinderschutzzentrum
am 29. 4. 2010. Ein Argument für die Einrichtung einer staatlichen Kommission
sei auch, dass nicht selten die Länder Kinder in kirchlichen Heimen untergebracht
hätten. Die heute erwachsenen Frauen und Männer berichten von körperlichen Misshandlungen
und sexueller Gewalt in kirchlichen Einrichtungen. Als besonders schlimm hätten
es die Opfer empfunden, dass sie von den Eltern nicht ernst genommen worden
waren und dass andere Kirchenvertreter die Sache unter den Teppich gekehrt hatten.
Täglich
melden sich etwa zehn Personen, ihr Durchschnittsalter beträgt 54 Jahre. Der
Großteil der genannten Taten wurde in den 60er und 70er Jahren begangen. Bei
70 Prozent der Betroffenen handelt es sich um Männer. 64 Prozent der Anrufer
berichten übrigens von weiteren Opfern. Schwärzler: "Im Bereich der körperlichen
Misshandlungen müssen wir von Tausenden ausgehen, die sich nicht gemeldet haben,
im Bereich der sexuellen Gewalt sicherlich auch von vielen hundert."