Gegenreformation 2010

In den OÖNachrichten erschien am 25.5.2010 der folgende Leserbrief:

Reformation

Der interessante Bericht der OÖN über die Reformation in Oberösterreich hat wieder einmal aufgezeigt, welches Unheil religiöser Eifer in der katholischen Kirche in der Gegenreformation hunderten, fleißiger Bürgern, Handwerkern und Bauern in unserem Lande gebracht hat. Blühende Handels- und Gewerbezentren wurden zerstört und tausende Menschen verloren über Nacht Hab und Gut, weil sie ihre Heimat wegen ihres Glaubens verlassen mussten. Diese Untaten reihen sich nahtlos an unzählige andere, in den vor- und nachgehenden Jahrhunderten.
Man sollte meinen, dass die katholische Kirche aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, aber dem ist nicht so. Bis in unsere Zeit haben Angehörige dieser Kirche in sogenannten, wohltätigen Organisationen auf der ganzen Welt (z. B. Irland, USA , etc.) aber auch in unserem Lande, durch Gewalt und Missbrauch unsägliches Leid über ihr anvertraute, hilflose Menschen, darunter auch viele Kinder, gebracht.
Was mich dabei am meisten betroffen macht, ist die Tatsache, dass die Kirche bis heute versucht hat, diese Untaten unter den Teppich zu kehren und dabei noch die Schuldigen der öffentlichen Gerechtigkeit zu entziehen. Erst der ungeheure Druck der öffentlichen Meinung beginnt, ein zögerliches Umdenken zu bewirken.
Eine Organisation, die seit Jahrtausenden die Gottes- und Nächstenliebe zu ihrem höchsten Glaubensgut erklärt, hat damit für mich und viele andere jegliche Glaubwürdigkeit verspielt. Der dramatische Anstieg der Kirchenaustritte ist ein beredtes Zeichen dafür.
F. Michalicka

Am 27.5.2010 folgte die Antwort eines Gegenreformators:

Glaubwürdigkeit

Wenn man in den OÖN vom 25. Mai als kritischer Katholik in der Rubrik "Betrifft" die Stellungnahme von F. Michalicka ("Reformation") liest, ist man an das legendäre Wort Bruno Kreiskys erinnert: "Lernen Sie Geschichte".
Der religiöse Eifer der Reformation und Gegenreformation hatte seinen tieferen Grund darin, dass damals - vor der späteren Trennung von Religion und Staat - die Religion als Grundlage des Staates galt. Der Abfall der einen zur anderen Konfession wäre bei heutigen Verhältnissen vergleichbar mit der völligen Auflehnung gegen den Grundwert Demokratie.
Wenn jemand die "sogenannten wohltätigen Organisationen" mit der Etikette "Kriminalgeschichte" versieht, dann frage ich mich, wer wohl unser Spitalswesen erfunden hätte, wenn die Christlichen Bruderschaften und Frauenorden nicht die Krankenpflege zu einem gesellschaftlichen Wert erhoben hätten; was wohl aus unserem Schulwesen und den Universitäten ohne die Mönchsklöster geworden wäre. Dasselbe ließe sich bezüglich Bildung, Musik und Kunst fragen. Gott sei Dank haben diese der christlichen Nächstenliebe entsprungenen Initiativen "weltliche" Nachfolge gefunden.
Ich bin jetzt im neunten Lebensjahrzehnt. Ich habe den Humanismus und die Weltanschauungen ohne Gott am eigenen Leibe erfahren. War Zwangsarbeiter, habe die Heimat verloren. Als ausgeplünderter Flüchtling habe ich in der katholischen Bahnhofsmission in Wien Aufenthalt und eine Bahnkarte bekommen. Ein katholischer Pfarrer hat mich mutig über die Zonengrenze nach Oberösterreich gebracht.
Es gibt auch die glaubwürdige Kirche. Ich habe sie erlebt.
Dr. Georg Wildmann, per E-Mail

Lernen wir vom Herrn Dr. Wildmann Geschichte: Die Zeit der katholischen Hochherrschaft in der die katholischen Grundwerte herrschten, ist mit den heutigen Verhältnissen mit dem Grundwert der Demokratie vergleichbar. Wer damals nicht katholisch sein wollte, der war also sowas Ähnliches wie heute ein antidemokratischer Neonazi.

Dafür hat beim Wildmann die katholische Kirche das Spitalswesen erfunden. Vorher hat man Verletzte und Kranke anscheinend nicht behandelt. Zwar hat es auch bei den einfachsten Völkerschaften schon in der vorkatholischen Steinzeit "Medizinmänner" gegeben. Ganz ohne christliche Nächstenliebe. Auwei! Bildung, Musik und Kunst waren auch katholische Erfindungen, die alten Ägypter, Babylonier, Juden, Griechen, Römer kannten das alle nicht, das kam erst durch die katholische Kirche über uns? Auch ist es im Geschichtebild des Herrn Wildmann nicht wahr, dass die allgemeine Schulpflicht eine Einführung der Aufklärung war.

Wie sich die katholische Nächsten- und Feindesliebe seit der Abschaffung der Religionsfreiheit durch das Dreikaiseredikt Cunctos populos im Jahre 380 entwickelte, müsste selbst einem Katholiken im neunten Lebensjahrzehnt bekannt geworden sein. Kreuzzüge, Gesinnungsterror, Glaubenskriege, Ketzer- und Hexenverfolgung, Ausbeutung und gnadenlose Unterdrückung der Menschen.

Bei Herrn Wildmann alles Grundwerte wie die heutige Demokratie. Er hat schließlich in der katholischen Bahnhofsmission genächtigt und eine Fahrkarte bekommen, damit war für ihn das katholische Mittelalter bewältigt und er ist für die Grundwerte der Gegenreformation. Gut, dass diese Gegenreformatoren keinerlei Möglichkeiten mehr haben, uns wieder "katholisch zu machen", weil das Abendland nimmer in dieser grauslichen Christenhand ist. Worüber - vielleicht abgesehen vom HC "Christenhand" Strache und Herrn Wildmann - die Menschen froh und glücklich sind!