Kirche als "Informationsblockierer des Jahres"

Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche übergab am 11. 7. 2010 Matthias Kopp, dem Sprecher der deutschen Bischofskonferenz, die "Verschlossene Auster":
"Die Deutschen Bischöfe geben bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle nur die Tatsachen zu, die sich nicht mehr leugnen lassen. Die katholische Kirche respektiert den Anspruch der Öffentlichkeit auf frühzeitige und vollständige Information nicht und widerspricht damit ihren eigenen Werte-Postulaten nach Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit", so die Jury über ihre Entscheidung. Die "Laudatio" hielt Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung), der einstens Ministrant bei Ratzinger gewesen war, er sagte u.a. "eine Gemeinschaft, die vom Wort lebt wie keine andere, hat die Sprache verloren. Sie ist sprach- und sprechunfähig geworden, nicht nur, aber vor allem, wenn es um ihr Verhältnis zur Sexualität geht".

Bischofssprecher Kopp, der überraschend den Preis tatsächlich abholte, gab sich einen reumütigen Ton: "Ja, wir haben uns zu lange vor die Täter gestellt und nicht auf die Opfer geschaut. Ja, wir haben Kommunikationsfehler gemacht". Aber sofort wurde er keck: Die Auster wirke von außen verschlossen und abschreckend, "aber innen kann sich etwas sehr, sehr Wertvolles finden", die katholische Kirche erwarte von den Medien nunmehr "Fairness". Also vielleicht weniger öffentliche Meinung? Etwa zur Diskussion über den Zölibat, über die Sexualität der Priester, über Verhütung und überhaupt über die katholische Sexuallehre. Oder gehört das alles zum "Wertvollen" im Austern-Inneren?

Äußerungen, die von "missbrauchter Pressefreiheit" und von einer "Diffamierungs-Lizenz", von "antikatholischer Propaganda", von "primitiver Manipulation und gezielten Volksverdummung", vom unverschämten Niederhalten der "Wahrheit", vom "totalitären Herrschaftsanspruch des Neo-Atheismus" und von der "Diktatur des Relativismus" sprachen, zeigten wie verbohrt die katholische Kirche auf irdische Vorwürfe reagierte. Für viele Kirchenfunktionäre schaut es also so aus, als wären die Täter nicht die kirchlichen Kinderschänder und Kinderprügler, sondern die kritischen Stimmen in den Medien.

Durchgekommen ist die katholische Kirche mit diesen Methoden nicht. Darum hat man es dann schließlich mit himmelwärts verdrehten Augen und Reuebekenntnissen versucht. Zur Ursachensuche ist man allerdings nach wie vor nicht bereit. Das katholische Verhältnis zur menschlichen Sexualität bleibt weiterhin tabu.

Übrigens: in Deutschland haben besonders papsttreue Katholiken am 11. Juli in München und Köln Solidaritätskundgebungen mit Papst Ratzinger abgehalten. Man verurteilt zwar die Missbräuche, aber spricht von "einseitiger Berichterstattung in den Medien". Vermutlich müssten nach Meinung der Papsttreuen die Medien zum ausgewogenen Ausgleich auch über Priester und Bischöfe berichten, die nicht der Schändung oder Körperverletzung beschuldigt werden. Nach Angaben der Veranstalter kamen dazu allerdings in München bloß 2.500 und in Köln nur 1.000 Leute. Die Aktion hieß "Deutschland Pro Papa", man hatte mindestens (eh schon bescheidene) 12.000 Besucher erwartet. Nu, "Deutschland für den Papst" war das volksmassenmäßig dann doch wohl nicht so ganz ...