Folgendes Schreiben richtete am 20. September 2010 Univ. Prof. Dr. Heinz
Oberhummer, der Vorsitzender des Zentralrates der Konfessionsfreien Österreichs,
an den ORF, an die politischen Parteien und an die Presse:
Als Vorsitzender
des Zentralrats der Konfessionsfreien aber auch als Wissenschaftler möchte ich
Ihnen in diesem Brief mein Befremden und meine Bestürzung über die Zusammenlegung
der TV-Wissenschafts- und Religionsabteilung im ORF zum Ausdruck bringen. Die
Konfessionsfreien in Österreich, deren Zahl in Österreich beständig steigt und
im Jänner 2010 bereits bei etwa 23% lag, sehen darin eine weitere Privilegierung
der Religionsgemeinschaften und eine Diskriminierung der Konfessionsfreien in
Österreich.
Wissenschaft ist das, was "Wissen schafft",
also die Methode mit der man Wissen gewinnt. Wissen ist grundverschieden vom
Glauben. Die wichtigsten Tugenden der Wissenschaft sind Selbstkritik und Kritik.
Wissen wird von allen beteiligten Wissenschaftlern und Beteiligten ununterbrochen
überprüft, modifiziert, und verbessert. Zur wissenschaftlichen Methodik gehört
als wesentliche Grundlage die Überprüfung und Kritik aller gleichberechtigten
Wissenschaftler. Glauben hingegen ist fundamental, unveränderlich, unbeweglich,
dogmatisch, unkritisierbar, statisch, ja tot. Die wichtigsten Glaubenssätze
der Religionen haben sich über Jahrhunderte, ja Jahrtausende lang kaum verändert.
Dass
die Abteilungen Wissenschaft und Religion im ORF zusammen gelegt werden sollen,
ist daher ohne Sinn und die schlechteste Option überhaupt. Es entspricht
nicht den europäischen Erfordernissen und Zielvorstellungen vom Aufbau einer
wissensbasierten Gesellschaft, sondern stellt einen Rückschritt dar. Denn dass
bei einer öffentlichen TV-Anstalt die Wissenschaft zusammen mit Religion in
einem Topf geworfen wird, das gibt es vermutlich - falls dort überhaupt noch
Wissenschaft vorkommt - nur bei TV-Stationen in den Gottesstaaten Vatikan oder
Iran.
Mit freundlichen Grüßen, Univ. Prof. Dr. Heinz Oberhummer