Eines der gelungen Projekte in der ehemaligen DDR war die Säkularisierung.
Man trieb den Leuten die Religion nicht mit einem "Muss" aus, sondern
sorgte für einen säkularen Alltag. Da im protestantischen Bereich in Europa
die religiöse Bindung der Menschen sowieso niedriger ist als im katholischen,
gab es nach 40 Jahren DDR innerhalb der Bevölkerung keine fest gefügten religiösen
Strukturen mehr, Religion war eine Privatsache, die zudem nicht unbedingt karrierefördernd
gewesen war.
Die Religionsgemeinschaften hatten nach dem Ende der
DDR vermutet, die Menschen dort würden auf die frohe Botschaft vom Erlöser Jesus
warten. Sie hatten allerdings eher auf den VW Golf, auf Videorecorder und
Urlaub in Italien gewartet, solche Botschaften waren weitaus willkommener. Der
Mitgliederrückgang in den Kirchen setzte sich auch nach 1989 fort.
Jetzt
hat man wieder eine Gelegenheit, den Glauben nach Ostdeutschland zu bringen,
wie evangelisch.de berichtet. Dazu wird in einem Foto der aktuelle
Stand gezeigt:
"Eine
katholische Bittprozession in Thüringen. Ob katholisch oder evangelisch: Der
Glaube an Gott hat in Ostdeutschland einen schweren Stand, aber christliche
Werte werden noch als wichtig wahrgenommen. Das ist eine Chance." (Foto:
Stephan Morgenstern/laif)
Die Volksmassen strömen religionsmäßig also
nicht zu hauf. Die "christlichen Werte", die als "wichtig"
wahrgenommen werden, kommen wohl dadurch zustande, dass Befragte meinen, "Nächstenliebe"
sei was, das man nicht zu verdammen brauche. Die christliche "Nächstenliebe"
ist allerdings nur ein Propagandaschlager, wie die folgende Karikatur zeigt:
Der
33. Deutsche Evangelische Kirchentag findet vom 1. bis 5. Juni 2011 in Dresden
statt. Aus diesem Grund wurde eine Meinungsumfrage abgehalten, demnach glauben
nur 25 Prozent der Menschen in den ostdeutschen Bundesländern an einen Gott,
im Westen tun dies 67 Prozent. Wobei evangelisch.de natürlich vergisst,
darauf hinzuweisen, dass der Glaube an "einen Gott" nicht unbedingt
der katholische oder protestantische Jesus sein muss, sondern zu einem erheblichen
Prozentsatz das berühmte nicht näher definierbare "höhere Wesen" ist.
Da aber laut Umfrage "Nächstenliebe" oder "Barmherzigkeit"
von 90 % der Menschen positiv beurteilt werden, sieht man Missionschancen. Man
überlegt dabei nicht, dass wohl kaum ein Befragter für "Nächstenhass"
oder für "Unbarmherzigkeit" eintreten wird.
Die Einbildung,
ein ordentlicher Umgang mit Mitmenschen habe seine Basis im Christentum, führt
die Missionare in die Irre, wie die Aussagen von Reinhad Mawick, Pressesprecher
der Evangelischen Kirche in Deutschland, zeigen. "Glaubst du an Gott?"
sei eine schwierige Frage, aber "christlicher Glaube ist mehr als eine
kognitive Antwort - es ist eine Lebenseinstellung, ein Lebenszusammenhang, Glaube
und christliche Werte sind nicht zu trennen. Wir wissen, dass ganz viele Menschen
Sehnsucht haben nach den Ausdrucksformen des christlichen Glaubens, nach einem
inneren Kompass".
Gerade im Gebiet der ehemaligen DDR zeigten
frühere Meinungsumfragen, dass dort ein solidarischeres Verhalten der Menschen
zueinander besteht als in den "alten Bundesländern". In der DDR
fehlten nämlich nicht nur manche Konsumgüter, sondern auch die Möglichkeiten
der Ellbogengesellschaft: die individuelle Gier hatte weniger Ausbreitungsmöglichkeiten
und das begünstigte in der DDR ganz ohne Christentum die Tradierung eines Verhaltens,
das es im deutlich christlicheren Westen weniger gibt. Das Sein im Realsozialismus
förderte ein weniger egoistisches Bewusstsein als im Realkapitalismus.
Man
will in Zukunft in Ostdeutschland zwar nicht direkt missionieren wie die Zeugen
Jehovas, sondern man versucht Umwege: etwa die Kirchengebäude als Orte der Gemeinschaft
zu präsentieren, Protestanten mit ungetauften Kindern zu einem "Taufsonntag"
einzuladen, die Kirchen noch mehr in die Strukturen der Sozialdienstleistungen
einzubringen (das kostet nichts, weil es die Allgemeinheit zahlt, schaut aber
enorm nächstenliebend aus), schließlich sollen "Glaubenskurse" für
Erwachsene angeboten werden.
Ob dann mehr als 25 Prozent an irgendeinen Gott glauben werden? Und wieviele Prozente werden plötzlich anfangen, den lieben Jesus zu lieben?