Der hier folgende offene Brief von Cem Üründül an seine Mitmigranten ist in Deutschlands erschienen. Da aber die Situation in Österreich auch nicht anders ist, können seine Aussagen auch hierzulande verbreitet werden. Nicht nur an die Mitmigranten, sondern speziell auch an die Philoislamisten.
Ja, wir lieben Deutschland für seine Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheiten. Wir profitieren von der (momentan etwas in die Schieflage geratenen) sozialen Marktwirtschaft. Wir fühlen uns durch die hier vorherrschende Rechtstaatlichkeit sicher. Wir genießen die Rechte, welche teilweise in unseren Herkunftsländern uns vorenthalten wurden und immer noch werden.
Es handelt sich um ein Missverständnis, wenn einige von euch meinen, gesellschaftliche,
in dem Fall "deutsche" Toleranz, erlaube sogar das Ausleben von Intoleranz;
so muss ich sagen, Ihr täuscht euch. Wenn ihr die Werte bekämpft, die eure Daseinsberechtigung
hier im Lande als Migrant oder als Andersgläubiger begründet und euch schützt,
so hoffe ich, werdet ihr bald verstehen, dass die von euch bekämpfte Leitkultur
der Aufklärung in Deutschland euer einziger Verbündeter ist.
Es kann
ja sein, dass eine kleine Minderheit von euch sich eine Leitkultur der Scharia
wünscht. Man sagt auf Deutsch: "Des Menschen Wille ist sein Himmelreich".
Dieses Himmelreich ist schon in einigen Ländern dieser Erde die Realität. Warum
kommt keiner von euch auf die Idee, sein Seelenheil durch schariagerechtes Leben
dort zu suchen? Oder fehlt euch dort etwas? Wer oder was hält euch davon ab?
Ihr geht auf die Straße um das Recht, Moscheen und islamische Schulen hier im
Lande bauen zu dürfen, aber wann wollt ihr die gleichen Rechte für Andersgläubigen
in den islamischen Ländern fordern? Ihr meint, dieser Frage damit begegnen zu
können "wir leben in Deutschland und wollen uns nicht in die Angelegenheiten
der anderen (islamischen) Länder einmischen". Bei dem Karikaturenstreit
(eine Angelegenheit von Dänemark) oder in Sachen Israel und Palästina seid ihr
plötzlich anderer Meinung. Doppelmoral scheint gut zu funktionieren.
Wir können uns nicht generationenlang in der Kuschelecke der "Gutintegrierten"
aufhalten. Natürlich könnt ihr ohne Farbe zu bekennen weiterhin über das Migrantendasein
Filme drehen, Romane schreiben oder nichts sagende kluge Sätze in Zeitungsinterviews
formulieren. Einige von euch werden auch in der Zukunft ihr "Migrant sein"
zum Beruf erklären. Es ist natürlich leicht, "genetische Begründungen von
Herrn Sarrazin" auseinander zu nehmen. Es ist auch einfach demagogische
Bierzeltrhetorik anzuprangern und deren Urheber bloß zu stellen.
Aber
wie lange können wir noch so tun, als ob der um sich greifende Islamismus und
die damit verbundene Erstarkung der reaktionären Kräfte (nicht nur unter Migranten)
uns nichts anginge? Wie lange können wir noch behaupten, dass diese Negativerscheinungen
mit dem Islam nichts zu tun haben? Zum wievielten Male wollen wir schwören,
dass Ehrenmorde mit den Traditionen in der Türkei nichts zu tun haben? Wie lange
wollen wir es noch leugnen, dass nicht mehr unsere Herkunftsländer - deren Fähnchen
wir immer noch bei passenden Gelegenheiten schwenken - unsere Heimat ist, sondern
Deutschland?
Es wird aber irgendwann einmal soweit sein, dass wir uns
der Realität stellen müssen. Dann ist aber Schluss mit lustig. Ihr ("ich
bin Muslim und Demokrat") müsst dann erklären, wie man den Islam demokratiekompatibel
macht. Ihr ("es handelt sich nur um ein Unterschichtenproblem") müsst
erklären, warum nur die islamische Unterschicht diese Art Probleme macht und
nicht die katholische, evangelische, buddhistische oder jüdische. Warum gibt
es überproportional mehr Straftäter mit islamischen Hintergrund? Ihr ("weder
der Islam noch unsere nationalen Traditionen sind frauenfeindlich") müsst
begründen, woher diese Gewalt und Unterdrückung gegen Frauen kommt? Ihr ("Islam
ist im Grunde genommen, sehr fortschrittlich. Nur Islamisten interpretieren
den Islam falsch") müsst uns plausibel machen, warum seit fast 1000 Jahren
keine nennenswerte und für die Menschheit wichtige Erfindung, Entdeckung oder
Erkenntnis von den islamischen Gesellschaften stammen.
wir genießen hier in Deutschland die Freiheiten, die durch die Aufklärung
entstanden und in unserer Verfassung verankert worden sind, für die weder wir,
noch unsere Vorfahren gekämpft haben. Wir sollten wenigstens bereit sein, diese
"ohne wenn und aber" zu verteidigen.
Cem Üründül