Nachwort zur Papstheimsuchung

Aus München kommt dieses Resümee zur Ratzinger-Tournee
durch Deutschland von Wilfried Müller

Die Jugend glaubt kaum noch ans Halleluja, im Westen 23% und im Osten fast 0. Nach den letzten Zahlen hat nur der Glaube ans Hamdullilah Konjunktur: Wer nicht voll integriert ist, der ist wenigstens voll indoktriniert; doch das sind höchstens 10%. So sieht's bei der zukünftigen Generation aus - und das macht die Religion zu einer Alterserscheinung. Von daher läuft der Papst am besten unter Vergangenheitsbewältigung.

Nun folgt der Deutsche Bundestag seiner Tradition, am Mehrheitswillen genauso vorbeizustümpern wie an Logik und Vernunft, und das bringt den Papst dort in die Bütt. Vergangenheitsbewältigung ist dort sehr in Mode; doch was der Papst dort vorzutragen hatte, war eine verklausulierte Verunglimpfung von Wissenschaft und Säkularität. Wenn er "die Herrschaft der positivistischen Vernunft" eine "dramatische Situation" nennt, so zieht er damit gegen das wissenschaftliche Weltbild ins Feld. Im Klartext verlangt er danach, die Maßstäbe vom "Göttlichen" abzuleiten, statt von der Vernunft.

Diesem archaischen Unfug haben Abgeordnete stehend applaudiert, und sie gingen mit der Vorstellung da raus, der Papst hätte keine Mission getrieben. Die meisten haben also gar nicht kapiert, was ihnen da an Wissenschaftsleugnung vorgesetzt wurde. Der Papst kann unwidersprochen wissenschaftsfeindliche Positionen vortragen und kriegt sogar noch Beifall dafür - damit hat er schlicht aufgezeigt, was für Unbedarfte wir im Bundestag sitzen haben. Ein stärkeres Argument kann es kaum geben, die Religion endlich stubenrein zu machen und das Säkularitätsdefizit zu beseitigen.

nicht nur uniformierte Kleriker klatschten sich die Hände heiß ...
... sondern auch christliche Bundestagszivilisten:

Lücken in den Reihen waren aber auch nicht zu übersehen

Noch schlimmer ist die Erkenntnis, wie sehr unser Bundestag mit Leichtgläubigen vollgestopft ist; anscheinend ist es die große Mehrheit. Wir müssen dem Papst geradezu dankbar sein, dass er uns das klargemacht hat. Die meisten Abgeordneten haben nicht genug kritische Vernunft, um die Gottesmär zu hinterfragen, und nicht genug Informationsbedürfnis, um zu recherchieren, was da vor 2000 Jahren wirklich abging.

Wenn die auf die Gottesmär reinfallen, dann kann man denen alles unterjubeln - und das Blöde ist, es ist 2008 passiert, und es ist 2011 passiert. Unsere Regierung samt Bundestagsmehrheit ist schon zweimal auf die Banken-Lobby reingefallen, die ihnen die Hölle heißgemacht hat: Wenn sie nicht ganz schnell ganz viel Geld rüberschieben, dann gibt es einen Systemzusammenbruch mit unaussprechlichen Folgen. Dass diese Folgen vielleicht in einer Bereinigung des Missbrauchs bestehen würden und breite Solidarisierung gegen die Abkassier-Künstler auslösen könnten, geht dabei unter.

Diese Ignoranz ist es, worauf der Papst uns hinweist: Finanzblasen und Religionen funktionieren nach demselben Prinzip. Beide versuchen, einen möglichst großen Abstand zur Realität zu gewinnen, um ihre Dogmen unangreifbar zu machen. Was bei der Religion "heilig" ist, ist in der Finanzwelt "systemrelevant". Was diesen Status erreicht hat, muss geschützt werden, egal was es kostet, und egal, wie dumm und schädlich es ist.
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Die Jugend hat völlig recht, wenn sie religionskritisch und politikkritisch ist. Leichtgläubige Politiker sind als Entscheidungsträger fehl am Platz. Das muss man klar sagen, auch wenn ihnen das auf den Heiligen Geist geht. Die Finanzlobby hat im Bundestag nichts zu suchen, genausowenig wie die Kirchenlobby, deren Spitzenmann der Papst ist. Das sind alles welche von der Sorte, die Gebet auf dem ersten "e" betonen. Gebet! Her mit den Milliarden! Subventioniert uns! Das ist die wirkliche Botschaft heutzutage.