Institutionelle Missbrauchsverantwortung

Der Oberste Gerichtshof Großbritanniens hat entschieden, dass die katholische Kirche für Verfehlungen ihrer Priester verantwortlich gemacht werden kann.

Wie der britische Sender BBC am 8.11.2011 berichtete, entschied der zuständige Richter zugunsten einer Frau, die als Kind von einem im Jahr 2006 verstorbenen Priester der Diözese Portsmouth sexuell missbraucht worden war. Der Richter erklärte, die Diözese könne für die Tat "indirekt verantwortlich" gemacht werden. Das Gericht hatte bereits im Juli entschieden - das Urteil wurde aber erst jetzt der Öffentlichkeit bekannt. Gegen das Urteil kann die Kirche Berufung einlegen.
Den Anwälten der Klägerin zufolge ist es das erste Mal, dass ein Gericht aufgefordert war, darüber zu entscheiden, ob die Beziehung zwischen einem katholischen Priester und seinem Bischof vergleichbar mit einem Arbeitsverhältnis ist. Die Kirche hatte dem Bericht zufolge betont, es bestehe kein formales Arbeitsverhältnis. Das Gericht sah jedoch eine professionelle Beziehung unter anderem deshalb als gegeben an, da der Priester im Namen der Kirche habe handeln können. Der Vertreter der Kirche betonte, sexueller Missbrauch werde sehr ernst genommen und bekämpft. Die Kirche wolle sich ihrer Verantwortung nicht entziehen.

In den USA laufen ähnliche Verfahren. Wenn dieses Urteil in Großbritannien rechtskräftig wird und auch in anderen Ländern von Opfern in diesem Sinne geklagt wird, kann das nicht nur dazu führen, dass Schadenshaftungen in weit größerem Umfang auf die katholische Kirche zukommen, sondern auch das "Kirchenfürsten" wie Bischöfe und auch Papst Ratzinger persönlich dafür zur Verantwortung gezogen werden können. Speziell bezüglich der bis vor kurzem geübten Vorgangsweise, einschlägige Straftäter nicht anzuzeigen, sondern sie bloß zu versetzen und dadurch die Fortsetzung ihrer Straftaten zumindest zu begünstigen, könnte auch beträchtliche Konsequenzen bezüglich der Verjährung haben, weil die Kirche als Institution für Straftaten Vorschub geleistet hätte.