Das Friedenslicht geht um

Auf dieser Homepage gibt's eh des Öfteren etwas Skurriles, darum soll sie heute einmal wahrhaft vorsätzlich sonderbar sein. In Österreich, Deutschland und der Schweiz sind TV-Sendungen wie der "Musikantenstadel" besondere Quotenbringer. Die meisten einschlägig Interessierten werden sich denken, "Musikantenstadel", das ist was bodenständig Ländlich-Traditionelles. Der Musikantenstadel-Erfinder hieß Karl Moik. Er war privat ein Jazz-Fan und kannte sich in den USA musikalisch gut aus. Er wusste also, dass "Barn-Dance-Music" (übersetzt "Stadeltanzmusik") in diesem Lande seit US-Urzeiten in den ländlichen Gegenden sehr populär war, seit 1925 gibt es Übertragungen davon im US-Rundfunk, seit 1949 auch im Fernsehen.

Eine Gruppe dieser Kategorie, Sonny Dae and the Knights trat bei der Old Dominion Barn Dance Radio Show auf. Sie unterschied sich bisweilen doch etwas von der Moikschen Stadelmusik: von dieser Gruppe stammt die Originalaufnahme des meistverkauften Musiktitels aller Zeiten: "Rock around the clock":


Berühmt wurde dieser Titel dann etwas später durch Bill Haley and his Comets, bis heute soll diese Version des Titels nach Schätzungen zwischen 200 und 250 Millionen mal verkauft worden sein. Es ist faktisch unmöglich, dieses 1954 aufgenommene Musikstück heute irgendwo in einem Musikladen NICHT unter den lagernden Angeboten zu finden.


Die Kategorie "volkstümliche Musik" ist im deutschsprachigen Raum ungeheuer populär, der Musikantenstadel und andere diverse Sendungen mit Repräsentanten wie Andy Borg und Florian Silbereisen sind Quotenbringer. Unsereinem läuft es dabei gruselig über den Rücken, Gänsehaut schießt auf, der Magen hebt sich, Zehennägel rollen sich ein. Deswegen oben die beiden Musikstücke, die zeigen, dass Stadelmusik nicht unbedingt nur pures Entsetzen hervorruft, es hat sich daraus auch was Wunderbares entwickelt. Zumindest in den USA.

Aber was soll diese umständliche Einleitung zu einem ganz anderen Thema?

In unseren Breiten sind Musikantenstadel & Co das absolut Unterste. Schlimmeres als Andy Borg, Florian Silbereisen, Hansi Hinterseer usw. ist unvorstellbar.
Darum hier weiter zum im Titel angeführten Thema. 1986 wurde vom ORF Oberösterreich das Friedenslicht erfunden, eine friedenssymbolische Seuche, die sich inzwischen auch über andere Länder verbreitete. Jedes Jahr wird das Licht in der Vorweihnachtszeit von einem Kind in der sogenannten "Geburtsgrotte Christi" in Bethlehem entzündet und nach Wien gebracht und von hier im ganzen In- und Ausland von Kerze zu Kerze verteilt. Warum dieses Licht in einem Gebiet, indem seit mehr als 60 Jahren kein Friede herrscht und wo es auch nicht ausschaut, als könnte in absehbarer Zeit Friede erreicht werden, angezündet wird, ist absolut nicht nachvollziehbar. Die Sage von der Jesusgeburt in Bethlehem ist wohl die Grundlage dafür. Bisher hat der liebe Jesus aber dort keinerlei Friedenslicht leuchten lassen. Sagengestalten sind dafür ja auch nicht prädestiniert.

Wie sich das diesbezügliche salbungsvolle Kasperltheater allerdings hierzulande abspielt, kann man sich hier anhören. In der Sendung Oberösterreich heute war am 26.11.2011 das folgende Interview mit dem gefürchteten volkstümlichen Repräsentanten Florian Silbereisen zu hören, der sich auf das so hell leuchtende Friedenslicht von Herzen freut:


(zum Abspielen der mp3 wird Quick-Time-Plug-In oder Ähnliches benötigt)

So. Und nun als Trost für die friedenslichtliche Kitschqual nochmals Bill Haley and his Comets, 1976 in Wien, aber nicht beim Musikantenstadel, denn damals gab's noch richtig gute Musik im ORF, one, two, three o'clock, four o'clock, rock ...

Bill Haley (1925-1981) wurde in den USA wegen seiner antirassistischen Haltung in den späteren Fünfzigerjahren vom FBI bespitzelt und schließlich mittels eines Steuerverfahrens ins Exil nach Mexiko vertrieben, seine Platten nahm er nunmehr für das schwedische Label Sonet auf. Bill Haley und seine Comets haben zum Frieden sicherlich millionenmal mehr beigetragen als diese Friedenslichter aus Bethlehem, weil friedlich um die Uhr gerock'n'rollt wird auch heute noch in der ganzen Welt ...

Nachbemerkung: Erstaunlich mit welch merkwürdigen Verknüpfungen man als alter rock'n'roll-Fan seine Lieblingsmusik gleich gar auch noch als Ausdruck einer besseren Welt ins Internet bringen kann!