2010 war der Rückblick leichter. Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche war das Jahresthema und der Unmut über diesen Skandal war die gute Botschaft: Ein neuer Austrittsrekord stand bevor. Wie es für heuer ausschaut, werden wir im Jänner 2012 erfahren. Nach dem ersten Halbjahr gab es Hinweise, dass die Austritte auf gutem Niveau geblieben seien.
In mehreren autoritär regierten arabischen Staaten regte sich der Volkszorn, in
einigen Ländern erfolgreich. Junge, gebildete, urbane, säkulare Menschen hatten mit
Internet-Hilfe Protestaktionen organisiert und damit überlebte, morsche Regime
zum Einsturz gebracht, im Falle Ghaddafi allerdings mit militärischer Hilfe
der NATO.
Aber
die weitere Entwicklung gab keinen Grund zur Freude. Der Islam erhob überall
sein Haupt, denn die gestürzten autoritären Regime waren säkular gewesen, nicht
weil die Despoten säkular waren, sondern weil die Despoten keine wirkliche Macht
neben sich duldeten, auch keine religiöse. In der Folge zeigte sich dann
leider der Umstand, dass die islamische Weltanschauung keine Religion in dem
Sinne ist, wie sie Europäer sehen. In unseren Breiten ist Religion etwas,
das bei Bedarf ausgeübt wird, wo Leute alleine oder gemeinsam zu ihren jeweiligen
Göttern beten, Glaubensvorschriften in ihrem Leben mehr oder weniger (mit Betonung
auf weniger) einhalten und außer einiger Fundi-Spinner niemand seine Mitmenschen
mit seinen religiösen Ansichten allzu sehr belästigt.
Im Islambereich
ist das gänzlich anders. Denn der Prophet Mohammed hat die ultimative göttliche
Lehre verkündet, was im Koran steht, ist unabänderliches göttliches Wort, es
ist kein Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet. Punktum. Die Folge:
der Großteil der im Islamumfeld lebenden Menschen kennt nichts anderes, Allah
il Allah! Und das spiegelt sich auch in den demokratischen Wahlen wieder.
Die
religiösen Parteien kassierten die Stimmen der Volksmassen, die relativ
kleinen Gruppen von aktiven, der säkularen Welt zugewandten Aufständischen blieben
bei den Wahlen bisher bedeutungslos. In Ägypten ist z.B. der Zwischenstand nach
zwei von drei Wahlrunden zurzeit so: die Muslimbrüder haben 152 Sitze, die extremistischen
Salafisten 78, die Nationalliberalen kamen auf 25, der mäßig linksgerichtete
säkulare "Ägyptische Block" liegt bei 24 Mandaten, die deklariert Säkularen
kamen - wie die gemäßigten Muslime - auf 7 Mandate, auf sonstige Gruppierungen
entfielen zusammen 29. Somit haben die beiden großen Islamparteien zusammen 230 Sitze,
alle anderen zusammen 92, die Islamparteien haben zurzeit die Zweidrittelmehrheit.
Die "Pfarrerinitiative" mit ihrem Aufruf zum Ungehorsam brachte
Schönborn zum Schwitzen. Aber verändert hat sich natürlich nichts, weil
Papst Ratzinger ist viel eher bemüht, die vorsichtigen Schritte in die heutige
Welt, die mit den Reformen des 2. Vatikanums (1962-1965) gemacht worden
waren, wieder wegzureformieren als sie auszubauen. Aber von Veränderungen
redete sogar Ratzinger.
Sowohl vom Papst als auch vom österreichischen Kirchenchef Schönborn
wurde mehrmals auf "Reform"absichten hingewiesen, Ratzinger sprach
während seines Deutschlandbesuches sogar von einer "Entweltlichung"
und vom Privilegienabbau, was aber von seinen Kumpanen vororts rasch relativiert
und weginterpretiert wurde. Schönborn als treuer Ratzingerfreund hing sich mehrfach
mit seinem Plan aus dem Fenster, die wirklich eifrigen Gläubigen als Missionare
zu organisieren und die katholische Kirche weniger nach der bisherigen Organisation
über die Pfarren, sondern in aktive Kleingruppen zu gliedern. Für 2012 ist europaweit
ein Probelauf der katholischen Neuevangelisierung geplant, unter anderem sollen
auch in Wien entsprechende Aktionen ablaufen. Die Jüngerschulungen für diese
Verkündigungen sind im Oktober angelaufen.
Hier ein Auszug aus diesem Jüngerschulungsplan
und ein kurzer Tonmitschnitt vom Anfang des ersten Vortrages von Schönborn vor
seinen Jüngern.