Trauer um "Ehrenmord"-Opfer

Aus Deutschland stammt die folgende Aussendung von peri e.V. - Verein für Menschenrechte und Integration, der sich intensiv mit dem Problemkreis der Zwangsverheiratungen befasst.

Die Organisation beschreibt sich so: In "peri e.V." (zu deutsch: "Die gute Fee") haben sich Menschen zusammengefunden, deren Hauptziel es ist, Männer und Frauen mit Migrationshintergrund bei ihrer Integration zu unterstützen. Seine Wurzeln hat der Verein in den vorangegangen, vielfältigen Aktivitäten von Frau Serap Çileli, die mit viel Mut und außerordentlichem Engagement den meist noch jugendlichen Frauen muslimischen Glaubens mit Rat und Tat zur Seite stand. Auf ihre Initiative geht daher auch die Gründung des Vereins zurück. Ihre Aktivitäten und Zielsetzungen bildeten die Grundlage und den Kern der Vereinssatzung. Die Vereinsaktivisten verbindet die Einsicht, dass sie einen eigenen und aktiven Beitrag zur Integration ausländischer MitbürgerInnen leisten müssen. Die hauptsächliche Zielgruppe der Arbeit von Serap Çileli waren und sind hier lebende Türkinnen, die unter den Folgen patriarchalischen Rollenverständnisses und traditioneller Gesellschaftsstrukturen sowie deren Auswirkungen (z. B. Zwangsverheiratung, Demütigungen und Gewalterfahrungen in und außerhalb der eigenen Familie) litten und bei ihr aktive Hilfe suchten und fanden.

Die junge Kurdin Arzu Lena Özmen, die am 01. November 2011 von ihrer eigenen Familie verschleppt wurde, ist am 13.1.2012 tot aufgefunden worden. Damit haben sich die Befürchtungen von peri e. V. leider bestätigt. Die junge Frau musste sterben, weil sie sich in den falschen Mann verliebt hatte. Die an der Entführung beteiligten fünf Geschwister sitzen in Untersuchungshaft und schweigen derweil noch immer.


im ZDF befasste sich Aktenzeichen XY mit dem "Ehrenmord"

Peri e.V. hat die Nachricht vom Tod Arzu Özmens mit großer Anteilnahme und Bestürzung aufgenommen und fordert ein Ende der systematischen Verharmlosung und Relativierung von Ehrenmorden, wie sie in Teilen der Medien, der Politik und der Wissenschaft immer noch stattfindet.

Trotz vereinzelter guter Ansätze steht die Politik dem Phänomen des Ehrenmordes noch immer hilflos gegenüber.
Es fehlt an Mut und am Willen, sich mit Ursachen und Zusammenhängen ernsthaft zu beschäftigen und dabei möglicherweise den Unmut der Verharmloser und Verschweiger auf sich zu ziehen. Durch dieses unverantwortliche Verhalten werden weitere Ehrenmorde begünstigt. Statt die Probleme anzugehen, ergehen sich einige Journalisten und Politiker lieber in kontraproduktiven, unsachlichen und teilweise diffamierenden Angriffen auf Menschen, die ihrerseits durch Kritik und Aufklärung wertvolle Beiträge zur Bekämpfung von Ehrenmorden leisten. Den von Gewalt bedrohten Menschen mit Migrationshintergrund, wie sie von peri e.V. betreut werden, wird dadurch in keiner Weise geholfen.

Die achtzehnjährige Arzu Özmen stellt dabei keineswegs das jüngste Opfer in Deutschland dar. Morsal Obeidi, die im Mai 2008 von ihrem Bruder in Hamburg erstochen wurde, war 16 Jahre alt, die im Juni 2009 in Schweinfurt ermordete Büsra Özkan 15 Jahre alt. Der Wahn derjenigen, die im Namen der "Ehre" morden, macht nicht einmal vor Kindern halt: Souzan Bakrat, die im Dezember 2011 im niedersächsischen Nienburg erstochen wurde, war gerade erstmal 13 Jahre alt.

Bislang haben diese Frauen und Mädchen in Deutschland den Status von Mordopfern zweiter Klasse: Demonstrationen oder Gedenkveranstaltungen finden entweder erst gar nicht statt oder können nur eine geringe Teilnehmerzahl aufweisen, wobei die Politprominenz häufig ebenso mit Abwesenheit glänzt wie die bekannten Vertreter von Migranten- oder Islamverbänden.

Am 21.01.2012 findet deshalb ein Trauermarsch und einer Kundgebung für Arzu Özmen in Demtold statt, eine rege Teilnahme durch die Bevölkerung wird erhofft, um gegen die Gewalt der "Ehrenmörder" ein Zeichen zu setzen (siehe auch Info Nr. 724).

PS: Die Familie ist nicht muslimisch, sondern gehört der Glaubensgemeinschaft der "Jesiden" an, über diese heißt es in Wikipedia: "Die Jesiden sind ein/e kurdische Volksgruppe und Volksstamm. Sie sind Anhänger einer eigenständigen Religion, des Jesidismus, einer ausschließlich unter den Jesiden verbreiteten, monotheistischen Religion. Das Jesidentum ist keine missionierende Religion; ihre Anhänger rekrutieren sich vielmehr insbesondere aus neugeborenen Jesiden, die qua Geburt Mitglied der Glaubensgemeinschaft werden. Grundsätzlich bedeutet die Heirat eines Jesiden mit einem Andersgläubigen seinen Austritt aus der Religionsgemeinschaft." Den weiteren Ausführungen ist zu entnehmen, dass die Jesiden immer wieder großer Verfolgungen ausgesetzt waren und es bis heute sind. Daraus dürfte sich auch die Ideologie herleiten, das Verlassen der Gemeinschaft oder den Glaubensabfall als todeswürdig anzusehen. Bei den Fällen des von Familien diktiertem Beziehungsverhaltens haben in Deutschland 83 % der Beteiligten islamischen Hintergrund, aber es gibt auch nichtmuslimische Bereiche, die ähnliche vergangenheitsorientierte Strukturen aufweisen. Diese Problemfelder dürfen nicht weiterhin ignoriert oder gar schön geredet werden, wie es immer noch versucht wird (siehe z.B. den Text von Necla Kelek zu den Zwangsverheiratungen).