Jesus und die Meinungsvielfalt

Zu Beginn der katholischen Fastenzeit am 23.2.2012 erklärte Papst Ratzinger den Bischöfen der römischen Diözese seinen Standpunkt über den Unterschied zwischen den öffentlichen Meinungen und seiner eigenen katholischen Meinung. Er führte u.a. aus, dass jeder die göttliche Gnade in dem Maß empfangen habe, in dem sie Christus ausgeschenkt hätte. So gab er "den einen das Apostelamt, andere setzte er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi."

Damit ist die Lage klar. Die Hierarchie kommt vom Jesus und darum sollten wir "nicht mehr unmündige Kinder sein, ein Spiel der Wellen, hin und her getrieben von jedem Widerstreit der Meinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert, der Verschlagenheit, die in die Irre führt. Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt."

Und Ratzinger als Jesusstellvertreter weiß, was das Haupt will. Das große Leid, das die r.k. Kirche zurzeit auszustehen habe, sei der Mangel an Berufungen zum Priestertum. Dabei rufe der HErr ohnehin immerzu, darum sei es notwendig, auf diesen Ruf zu hören. Ganz einfach! Hört endlich auf den Ruf von Jesus! Verdammt noch einmal! (das hat er nicht gesagt, höchstens gedacht). Priester sollten demütig sein. "Händefalten, Gosch'n halten", hieß vor Jahren ein dazu passender Reim.

Noch was hat Ratzinger entdeckt: den "religiösen Analphabetismus". Darum sei es geboten, "den Inhalt des Glaubens wieder aufzunehmen", die Priester müssten sich "erneuern und es ermöglichen, Christus kennenlernen zu lassen". Dann geht er auf die "mündigen Katholiken" los, die hielten sich für "mündig", weil sie sich vom Lehramt der r.k. Kirche emanzipiert hätten. Aber sie hätten keinen "mündigen Glauben", sondern wären in "Abhängigkeit der Welt" geraten.

Die richtige päpstliche Lösung lautet daher: "sich von dieser Diktatur der Meinungen zu befreien und an den Sohn Gottes zu glauben". Nur so sei man "fähig, auf die Herausforderungen unserer Zeit eine Antwort zu finden".

Leider verrät Papst Ratzinger diese Antwort nicht. Wahrscheinlich müht er sich noch mit der "Diktatur der Meinungen" ab oder er wartet auf eine Botschaft des HErrn. Für die katholischen Reformer ist somit wieder deutlich wahrnehmbar: beim Ratzinger geht gar nix und mit den jüngsten Kardinalsernennungen wurde auch schon vorgesorgt, dass für den absehbaren Abgang des schon recht klapprigen 85jährigen Ratzinger wieder ein Vizechristus gewählt wird, der zumindest alles so belässt wie es ist. Gott will es so.

Macht auch nix, das Publikum verliert so oder so zunehmend - zumindest in den aufgeklärten Gegenden - das Interesse an der christlichen Religion.