Aus der deutschen Bild-Zeitung vom 5.3.2012:
Vatikan protestiert
gegen Berliner Skandalstück - Ein Theater-Stück setzt halb Europa in Aufruhr!
Bei seiner Aufführung in Paris haben Protestler die Bühne gestürmt, Stinkbomben
in den Zuschauerraum geschmissen, die Besucher mit Tränengas attackiert und
mit Motoröl begossen. Polizisten mussten die Tumulte schlichten.
Danach konnte
"Über das Konzept des Angesichts bei Gottes Sohn" unter anderem in
Toulouse, Antwerpen und Mailand nur unter Polizeischutz gezeigt werden. Heute
wird Europas brisantestes Stück im Kreuzberger Theater Hebbel am Ufer (HAU 1)
aufgeführt. Sogar der Vatikan protestiert gegen das Stück des Italieners Romeo
Castellucci (51). Das Staatssekretariat des Heiligen Stuhls erklärte, es beleidige
"das religiöse Empfinden der Christen". Mehrere Bischöfe verurteilten
das Stück. Grund:
Ein überdimensionales Jesus-Bild wird mit Kot beschmiert
und Steinen beworfen.
In dem Stück geht es um das 4. Gebot, das besagt, Vater
und Mutter zu ehren. Ein Sohn scheitert aber voller Ekel und Hilflosigkeit daran,
seinen alten dementen Vater zu pflegen, ihm die Windeln zu wechseln. Das Heiligenbild
wird beschmiert!
BILD fragte den Berliner Erzbischof Rainer Maria Kardinal
Woelki (55) nach seiner Meinung. Woelki: "Ich verurteile es, dass das,
was Menschen aus ihrem Glauben heraus wichtig und heilig ist, in dieser Weise
durch den Dreck gezogen wird. Das ist unanständig. Es gibt keinen Grund, sich
etwas anzusehen, was nur der Provokation dient." BILD fragte auch bei Regisseur
Castellucci nach: "Das Ganze ist eine hysterische Attacke. Die Argumente
der Protestler sind armselig. Ich will die Kirche gar nicht kritisieren."
Soweit BILD. Das Stück setzte in
Paris bei seiner Aufführung letzten Herbst nicht "halb Europa", sondern einige Gruppen hysterischer katholischer
Extremisten in Aufregung. Das linke deutsche Wochenblatt "Jungle World"
berichtete darüber am 10.11.2011: Mit dem Bibelzitat "Ich vergebe ihnen,
denn sie wissen nicht, was sie tun" reagierte der italienische Theaterregisseur
Romeo Castellucci auf die Proteste von Katholiken gegen seine Inszenierung des
Theaterstücks "Über das Konzept vom Gesicht des Gottessohns". Seit
mehr als zwei Wochen laufen christliche Fundamentalisten in Paris gegen das
Theaterstück Sturm. Der Regisseur bleibt gelassen: "Sie haben das Stück
nie gesehen und wissen also nicht, dass es ein spirituelles Stück ist, das sich
mit dem Bild Christi beschäftigt", sagt Castellucci. Tatsächlich sei es
nie seine Absicht gewesen, die christliche Religion zu diffamieren.
Es geht
um ein Thema, das viele Menschen beschäftigt: Wie geht man mit seinen alt gewordenen
Eltern um? In "Sul concetto di volto nel Figlio di Dio", wie das Stück
im Original heißt, wechselt ein Mann immer und immer wieder die vollen Windeln
seines Vaters - bis zur völligen Erschöpfung. Es riecht im Theater nach Kot.
Ein alter Mann versucht mit seinem Siechtum fertigzuwerden, der Sohn will helfen
und sieht dem körperlichen Verfall des Vaters zugleich hilflos zu. Zwischen
beiden entspinnt sich ein einfühlsamer Dialog. Dass sich diese Szenen vor einem
Christus-Bild abspielen, einer Nachbildung des Werkes "Der Retter der Welt"
von Antonello da Messina, war für fundamentalistische Katholiken Grund genug,
die Aufführung des Stückes zu stören. Castellucci versteht sein Bühnenstück
als "eine Art Gebet". Für die christlichen Fundamentalisten jedoch
stellt es schlicht eine "Blasphemie" dar, also eine Gotteslästerung,
die in Frankreich bis 1791 strafbar war und dank der bürgerlichen Revolution
- früher als in vielen Nachbarländern - entkriminalisiert wurde. Als Begründung
für diesen Vorwurf genügte die Information, dass zu den Requisiten ein Christus-Bild
und kotbeschmutzte Windeln gehören. "Das Abbild unseres Gottes wird beschmutzt",
behaupten die Kritiker des Stücks. "Andere Religionen werden in Frankreich
viel besser behandelt als unser angestammter Glaube."
Wie Jungle
World weiters berichtete, stammen die Protestierer hauptsächlich aus der rechtsextremen
katholischen Gruppierung "Allgemeine Allianz gegen den Rassismus und für
den Respekt der französischen und christlichen Identität", so eine Art
Verband für ein "Abendland in Christenhand" und einem Verband,
der unter dem Namen "Gegenschlag des Laizismus" auftritt und vor allem
aus rechten christlichen Islamfeinden besteht. Eine zusätzliche Pointe
ergab sich, weil eine islamistische Gruppe das Theaterstück ebenfalls verurteilte,
weil darin der muslimische Prophet Jesus verunglimpft würde (Jesus ist im Islam
kein "Gottessohn", aber einer der Prophet Allahs).
hier
ein Screenshot der oben von BILD Szene erwähnten Jesus-Bewerfung - es darf vermutet
werden, dass damit Missbilligung über das irdische Jammertal oder Änliches ausgedrückt
werden
soll. Geworfen wird natürlich nicht mit Kot, sondern mit entspr. Requisiten.
Anscheinend bemüht sich die BILD-Zeitung nun auf den vor mehr als einem Vierteljahr in Paris abgefahrenen Protestzug religiöser Fanatiker aufzuspringen. Das Berliner Theater sieht keinen Grund zur Aufregung, eine Sprecherin: "Es ist kein Polizeischutz bestellt."