Ratzinger weist Pfarrerinitiative zurecht...

...aber nur ganz vorsichtig.

Am Gründonnerstag werden die diversen katholischen Öle geweiht (für Firmungen, Krankensalbungen, Priesterweihen usw.) und außerdem ist das der Tag an dem der Weihe der Priester gedacht wird und diese fallweise ihre Priesterversprechen erneuern oder bekräftigen. Darum hat Papst Ratzinger am 5. April 2012 in seiner Predigt auch das Thema "priesterlicher Gehorsam" angesprochen: "Vor kurzem hat eine Gruppe von Priestern in einem europäischen Land einen Aufruf zum Ungehorsam veröffentlicht und dabei gleichzeitig auch konkrete Beispiele angeführt, wie dieser Ungehorsam aussehen kann, der sich auch über endgültige Entscheidungen des kirchlichen Lehramtes hinwegsetzen soll wie zum Beispiel in der Frage der Frauenordination, zu der der selige Papst Johannes Paul II. in unwiderruflicher Weise erklärt hat, dass die Kirche dazu keine Vollmacht vom Herrn erhalten hat."

Die Frage der weiblichen Priester hat sich der Papst wohl deswegen herausgepickt, weil das unten den von der ungehorsamen österreichischen Priesterinitiative aufgerührten Themen, das katholisch heikelste ist und auch unter den Katholiken die geringste Zustimmung findet. Zum Zölibat sagte er merkwürdigerweise gar nichts. Den Ungehorsam weist er zurück, aber er räumt ein, dass die Ungehorsamen aus Sorge ungehorsam sein wollen: "Ist Ungehorsam ein Weg, um die Kirche zu erneuern? Wir wollen den Autoren dieses Aufrufs glauben, dass sie die Sorge um die Kirche umtreibt; dass sie überzeugt sind, der Trägheit der Institutionen mit drastischen Mitteln begegnen zu müssen, um neue Wege zu öffnen - die Kirche wieder auf die Höhe des Heute zu bringen. Aber ist Ungehorsam wirklich ein Weg? Spüren wir darin etwas von der Gleichgestaltung mit Christus, die die Voraussetzung wirklicher Erneuerung ist oder nicht doch nur den verzweifelten Drang, etwas zu machen, die Kirche nach unseren Wünschen und Vorstellungen umzuwandeln?"


Ratzinger schaute bei der Gründonnerstagveranstaltung mitgenommen aus

Und klarerweise weiß er, was falsch ist: "Aber machen wir es uns nicht zu leicht. Hat nicht Christus die menschlichen Traditionen korrigiert, die das Wort und den Willen Gottes zu überwuchern drohten? Ja, er hat es getan, um den Gehorsam zum wirklichen Willen Gottes, zu seinem immer gültigen Wort neu zu wecken. Es ging ihm gerade um den wahren Gehorsam, gegen die Eigenwilligkeit des Menschen."

Selbstverständlich hat für Ratzingers Jesus als Gottessohn so gehandelt. Realistisch betrachtet war dieser Jesus doch höchstwahrscheinlich ein jüdischer Endzeitprediger, der die damals herrschende Glaubensschule in der jüdischen Gemeinschaft kritisiert, er nannte die Schriftgelehrten und Pharisäer "Heuchler", was heute sozusagen dasselbe ist: ein Heuchler ist ein Pharisäer und umgekehrt. Beispiel: Mt 23,27, "Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr seid wie die Gräber, die außen weiß angestrichen sind und schön aussehen; innen aber sind sie voll Knochen, Schmutz und Verwesung". Was zur Annahme berechtigt, dieser Jesus hätte sozusagen eine Art "Rabbinerinitiative" vertreten, er hat inhaltlich gefordert, sich nicht auf religiöse Äußerlichkeiten, sondern auf Gott auszurichten. Eine neue Religion zu gründen, war nie die Absicht dieses Jesus gewesen, das geschah durch eine lange Reihe unglücklicher historischer Fügungen nach seinem Tode.

Der Grazer Bischof Kapellari hatte die Priesterinitiative noch im März 2012 als "Kirchenspalter" verbellen dürfen (siehe Info Nr. 785), sein oberster Chef tut das nicht. Er stützt sich schlichtweg darauf, dass er als inthronisierter irdischer Vizejesus weiß, was der himmlische Jesus will. Punktum.

Darum gilt laut Ratzinger: "Wir verkündigen nicht private Theorien und Meinungen, sondern den Glauben der Kirche, deren Diener wir sind. Aber das darf natürlich nicht heißen, dass ich nicht mit meinem ganzen Ich hinter dieser Lehre und in ihr stünde. (..)Wenn wir nicht uns selbst verkündigen und wenn wir inwendig ganz eins geworden sind mit dem, der uns gerufen hat als seine Botschafter, so dass wir vom Glauben geformt sind und ihn leben, dann wird unsere Predigt glaubhaft werden."

Da wird er allerdings Pech haben, was er auch irgendwie erkennt: "In der Begegnung der Kardinäle anlässlich des jüngsten Konsistoriums haben mehrere der Hirten der Kirche aus ihrer Erfahrung von einem religiösen Analphabetismus gesprochen, der sich mitten in unserer gescheiten Gesellschaft ausbreitet. Die Grundlagen des Glaubens, die früher jedes Kind wusste, werden immer weniger gekannt".

Deswegen meint er, im heuer ausgerufenen "Jahr des Glaubens" solle "mit neuem Eifer und neuer Freude die Botschaft des Glaubens" verkündigt werden. Der religiöse Analphabetismus wird deswegen nicht abnehmen. Weil die Nachfrage weiter sinken wird. Der europäische Säkularismus ist längst unumkehrbar geworden.

Wie im ZiB2-Interview vom 5.4.2012 zu hören war, ist Helmut Schüller, der Erfinder der Pfarrerinitiative, mit den Äußerungen Ratzingers nicht unzufrieden:


(ca. 6 min, zum Abspielen der mp3 wird Quick-Time-Plug-In o. Ä. benötigt)

Helmut Schüller fühlt sich also eher angespornt als gemaßregelt. Es ist zwar letztlich sinnlos, Religionen zu reformieren, vernünftig ist es religionsfrei zu sein, aber auch Reformen, die in ihrer Konsequenz den Säkularismus unterstützen, sind sinnvoll. Die Protestanten sind - außer den Evangelikalen - vernünftiger als zumindest die Strengkatholischen, Protestanten verlieren aber wegen ihrer liberaleren Haltung mehr Mitglieder und mehr aktive Gläubige als die Katholiken, wie schon so oft hier geschrieben: liberaler heißt auch unverbindlicher und das hilft der Religionsfreiheit im Sinne von Freiheit von Religion. Der Schüller und seine Freunde tun das auch. Und das ist gut.