In den USA ist in den vergangenen drei Jahrzehnten die
Verbreitung kreationistischer Vorstellungen fast unverändert hoch geblieben.
Das hat eine neue Umfrage des amerikanischen Meinungsforschungsinstitutes Gallup
gezeigt. Den Daten nach sind in den USA weiterhin obskure Schöpfungsmythen klar
vorherrschend. Für die repräsentative Umfrage wurden insgesamt 1012 volljährige
Personen aus dem ganzen Land befragt. Es ist die elfte Erhebung dieser Art,
die seit 1982 von Gallup durchgeführt wird. Und sie zeichnet erneut ein erschreckendes
Bild.
Ein Gott hat die Menschen in ihrer gegenwärtigen Form innerhalb
der letzten 10.000 Jahre geschaffen: Von dieser Auffassung seien bis heute
sogar 25 Prozent derjenigen Menschen überzeugt, die eine wissenschaftliche Ausbildung
absolviert haben, so die Gallup-Umfrage.
Die Auffassung, nach der
sich die Evolution ohne Einwirkung von Göttern vollzogen habe, teilten nur wenig
mehr Angehörige dieser Gruppe: 29 Prozent gaben hier an, diesen Standpunkt
zu vertreten. Eine Mehrheit von 42 Prozent erklärte, von einer göttlich gelenkten
Evolution auszugehen. Somit vertraten sogar unter den Postgraduierten über zwei
Drittel der Befragten kreationistisch geprägte Vorstellungen. Zwischen Personen
mit College- und Highschool-Abschluss gab es hier kaum Unterschiede, der Anteil
von Anhängern der Schöpfungsmythen war deutlich größer.
Die Umfrage
zeigte erneut, dass die Häufigkeit religiöser Praxis und der Glaube an Schöpfungslehren
auch in den USA Hand in Hand gehen. Wer regelmäßig Kirchen oder vergleichbare
Tempel besucht, teilt der Gallup-Erhebung nach besonders oft einen Glauben an
eine durch übernatürliche Wesen gelenkte Entstehungsgeschichte der menschlichen
Spezies. Nur drei Prozent unter den wöchentlichen Kirchengängern in den Staaten
gaben an, eine wissenschaftliche Perspektive auf die Evolution zu besitzen.
Insgesamt meinten 78 Prozent der Befragten, kreationistische Vorstellungen über
die Entwicklungsgeschichte des Lebens zu besitzen.
Zum Vergleich:
Eine repräsentative Erhebung der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland
von 2005 ergab, dass hierzulande 61 Prozent der Menschen mit der wissenschaftlichen
Auffassung übereinstimmen, dass sich das Leben auf der Erde ohne Einwirken eines
höheren Wesens auf der Basis evolutionärer Prozesse weiter entwickelt habe.
Der Glaube an den Junge-Erde-Kreationismus wurde nur von einer kleinen Gruppe
geteilt. 13 Prozent meinten, dass ein Gott das Leben nach biblischem Vorbild
geschaffen hat.
In den Vereinigten Staaten sind kreationistische Ansichten
zwar am stärksten unter den Anhängern der republikanischen Partei verbreitet.
Ganze 58 Prozent der Befragten erklärten, an eine Schöpfungsgeschichte nach
Lesart bibeltreuer Fundamentalisten zu glauben. Nur fünf Prozent meinten, eine
wissenschaftliche Auffassung von der Evolution zu haben. Aber auch unter ungebundenen
Wählern und Anhängern der demokratischen Partei teilten lediglich ein knappes
Fünftel diese Perspektive auf die Entstehung des Lebens.
Insgesamt
zeigte sich, dass kreationistische Ansichten mit einem niedrigen Bildungsgrad,
konservativen Einstellungen und religiösen Überzeugungen deutlich korrelieren.
Die Umfrageergebnisse sind insofern auch interessant, da neueren Erhebungen
nach rund ein Drittel der US-Bevölkerung ohne Bindung an eine der traditionellen
Konfessionen ist. Der Abschied von den traditionellen Religionen führt nicht
stets unmittelbar zu einem veränderten Blick auf die Evolution.
Der Blick
auf die Entwicklung der unterschiedlichen Auffassungen macht außerdem deutlich,
dass die wissenschaftliche Evolutionstheorie sich trotz eines erheblichen Wandels
der US-amerikanischen Gesellschaft und vieler neuer Erkenntnisse kaum weiter
durchgesetzt hat. Während im Jahr 1982 von der Menschheitsentwicklung ohne Einflussnahme
durch übernatürliche Wesen neun Prozent überzeugt waren, ist dieser Wert in
30 Jahren nur um rund 6 Prozent gewachsen. Der Glaube an die Erschaffung der
Welt vor einigen Tausend Jahren blieb unverändert hoch. Es sind ernüchternde
Ergebnisse für diejenigen, die sich bisher in der Hoffnung auf ein größeres
Verständnis für die Evolutionstheorie in der US-Bevölkerung eingesetzt haben.
Auch
ein zweiter Blick legt nahe, dass der Einfluss konfessioneller Thinktanks zur
Popularisierung des Glaubens an ein "Intelligent Design" ebenfalls
keine großen Erfolge verzeichnen konnte. Die Gruppe, welche sich von einer göttlich
gelenkten Evolution überzeugt zeigte, ist nicht gewachsen. Vielleicht halten
sich die Popularisierungen von Wissenschaft und Schöpfungsmythen auch nur die
Waage.
Über die Ursachen lässt sich spekulieren. Klar ist allerdings,
dass der Einfluss von Priestern, Politikern und Verantwortungsträgern in den
Medien eine maßgebliche Rolle beim anspruchsvollen Versuch spielt, wissenschaftlich
plausible Auffassungen von der Evolution verständlich zu machen. Zwar prägen
protestantische Glaubensrichtungen eine Mehrheit der Bevölkerung, aber auch
von Seiten des Katholizismus, des Islam oder Religionen abseits der traditionellen
Konfessionen, wie Freimauern, ist hier wenig Verbesserungspotential zu erwarten.
Ob großer Baumeister, Tauhid oder Heiliger Geist - die fundamentalen Behauptungen
stehen im starken Widerspruch zu den Fakten.
Wissenschaftliche Auffassungen
über die Evolution werden deshalb immer wieder von prominenten Priestern angegriffen,
ohne großen Protest unter Wissenschaftlern auszulösen. Der deutsche Papst
Benedikt XVI., welcher eine auch in den USA einflussreiche Strömung vertritt,
betonte in einer weithin wahrgenommenen Rede Anfang 2011 zum sogenannten Dreikönigstag
gegenüber den Gläubigen, dass ein göttlicher Geist mit unerschöpflicher Kreativität
hinter der Entstehung des Universums - und damit auch der Entstehung der Menschheit
- stünde. Also nicht nur in den USA, sogar mitten in Europa hat das Verständnis
für die Evolutionstheorie starke Gegner.
Es ergibt sich da nur am
Rande, dass der gebürtige Bayer Benedikt XVI. interessante Einblicke in den
Glauben an die eigene Persönlichkeit offenbarte. Denn als angeblich höchster
irdischer Stellvertreter dieses Schöpfers eines mindestens 80 Milliarden Lichtjahre
durchmessenden Universums ist wohl das Selbstbild des weniger als zwei Meter
großen Theologen proportional zu den Erkenntnissen der Astronomie und Kosmologie
gewachsen. Imamen und vielen anderen Predigern geht es in dieser Sache nicht
viel anders, weshalb zur aktuellen Gallup-Umfrage nur noch zu sagen bleibt:
Das Fliegende Spaghettimonster komme.
Arik Platzek auf h/pd Nr. 13.492