Scharia-Verfassung auf dem Weg

Der ägyptische Präsident Mursi gab nun den angeblichen Hintergrund seines Allmachtserlasses (siehe Info Nr. 1170) bekannt. Er wollte damit die Verabschiedung der schon längere Zeit in Diskussion stehenden neuen ägyptischen Verfassung beschleunigen. 26 nichtislamistischen Mitglieder des Verfassungsgremiums hatten die weitere Mitarbeit verweigert, weil die islamistische Mehrheit zu keinerlei Kompromisse bereit war. Da mindestens 75 der 100 Mitglieder anwesend sein und 67 zu jedem einzelnen Punkt mit "ja" stimmen müssen, konnten keine Beschlüsse gefasst werden. Die Geschäftsordnung hatte also vorgesorgt, dass auch die Meinungen und Wünsche der Minderheiten Berücksichtigung zu finden hätten. Nun wurden kurzerhand passende abstimmungsfreudige Ersatzmitglieder einberufen und die Abstimmung am 29. und 30.11.2012 abgezogen, mit der präsidentlichen Allmacht geht alles.

Damit wurde die Sache zügig erledigt, Ägypten hat jetzt eine Scharia-Verfassung, die noch einer Volksabstimmung unterzogen werden muss. Nach der Bestätigung der Verfassung durch diese Abstimmung will Mursi seine selbstverliehenen Machtbefugnisse zurücklegen. Da bei den Parlamentswahlen die Muslimbrüder und die Salafisten zusammen über 70 % der Mandate erreicht haben, ist zu vermuten, dass auch die Abstimmung über die Verfassung eine Mehrheit finden wird.
Und danach ist sowieso das Land in Allahs Hand. Für die christliche Minderheit und für die liberalen und linken Kreise, die in Wahrheit die Revolution eingeleitet hatten, werden nicht viele Rechte übrig bleiben. Ägypten zu einem weiteren streng islamistischen Land, zu einem Gottesstaat zu machen, wird vielleicht nicht direkt leicht sein, wenn sich die vernünftigen Menschen weiterhin wehren, aber der Weg dorthin ist eingeschlagen. Speziell weil leider zu erwarten ist, dass die westliche Politik der Sache ihren Lauf lassen wird.