Über den Atheismus

Der folgende Text wurde am 19. Dezember 2012 von ZENIT.org veröffentlicht

Papst Benedikt XVI. hat anlässlich des Jahrs des Glaubens und des 50-jährigen Jubiläums der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils dazu aufgerufen, die Konzilstexte nochmals aufmerksam zu lesen. Wir dokumentieren als Beitrag zu diesem Wunsch des Heiligen Vaters jeweils thematisch ausgesuchte Texte in der offiziellen deutschen Version des Heiligen Stuhls.

Über den Atheismus:
Der moderne Atheismus stellt sich oft auch in systematischer Form dar, die, außer anderen Ursachen, das Streben nach menschlicher Autonomie so weit treibt, dass er Widerstände gegen jedwede Abhängigkeit von Gott schafft. Die Bekenner dieses Atheismus behaupten, die Freiheit bestehe darin, dass der Mensch sich selbst Ziel und einziger Gestalter und Schöpfer seiner eigenen Geschichte sei. Das aber, so behaupten sie, sei unvereinbar mit der Anerkennung des Herrn, des Urhebers und Ziels aller Wirklichkeit, oder mache wenigstens eine solche Bejahung völlig überflüssig.
Diese Lehre kann begünstigt werden durch das Erlebnis der Macht, das der heutige technische Fortschritt dem Menschen gibt. Unter den Formen des heutigen Atheismus darf jene nicht übergangen werden, die die Befreiung des Menschen vor allem von seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Befreiung erwartet. Er behauptet, dass dieser Befreiung die Religion ihrer Natur nach im Wege stehe, insofern sie die Hoffnung des Menschen auf ein künftiges und trügerisches Leben richte und ihn dadurch vom Aufbau der irdischen Gesellschaft abschrecke.
Daher bekämpfen die Anhänger dieser Lehre, wo sie zur staatlichen Macht kommen, die Religion heftig und breiten den Atheismus aus, auch unter Verwendung, vor allem in der Erziehung der Jugend, jener Mittel der Pression, die der öffentlichen Gewalt zur Verfügung stehen.
Die Kirche kann, in Treue zu Gott wie zu den Menschen, nicht anders, als voll Schmerz jene verderblichen Lehren und Maßnahmen, die der Vernunft und der allgemein menschlichen Erfahrung widersprechen und den Menschen seiner angeborenen Größe entfremden, mit aller Festigkeit zu verurteilen, wie sie sie auch bisher verurteilt hat.
Jedoch sucht die Kirche die tiefer in der atheistischen Mentalität liegenden Gründe für die Leugnung Gottes zu erfassen und ist im Bewusstsein vom Gewicht der Fragen, die der Atheismus aufgibt, wie auch um der Liebe zu allen Menschen willen der Meinung, dass diese Gründe ernst und gründlicher geprüft werden müssen. Die Kirche hält daran fest, dass die Anerkennung Gottes der Würde des Menschen keineswegs widerstreitet, da diese Würde eben in Gott selbst gründet und vollendet wird. Denn der Mensch ist vom Schöpfergott mit Vernunft und Freiheit als Wesen der Gemeinschaft geschaffen; vor allem aber ist er als dessen Kind zur eigentlichen Gemeinschaft mit Gott und zur Teilnahme an dessen eigener Seligkeit berufen. Außerdem lehrt die Kirche, dass durch die eschatologische Hoffnung die Bedeutung der irdischen Aufgaben nicht gemindert wird, dass vielmehr ihre Erfüllung durch neue Motive unterbaut wird.

Der letzte Absatz ist wunderschön. Weil da begründen sich wieder einmal Gott und Mensch gegenseitig, während Atheisten Gott leugnen wie ein Tatverdächtiger eine Straftat. Davon ausgehen, dass Atheisten die Welt ohne Gott erkennen und in ihr ohne Gott leben können, darf ein Theologe gar nicht. Weil allein schon wenn er diese Möglichkeit auch nur respektierte, grübe es den Boden seines Glaubens ab. Die Menschen sind nicht von Gott abhängig, Gott ist von den Menschen abhängig, sie formen ihn nach ihrem Ebenbild, wie schon Xenophanes von Kolophon (ca. 570 bis 470 v.u.Z.) schrieb: "Die Äthiopier behaupten, ihre Götter seien stumpfnasig und schwarz, die Thraker, blauäugig und rothaarig. Wenn die Pferde Götter hätten, sähen sie wie Pferde aus".

Was ja gerade in heutigen Zeiten völlig augenfällig ist: Solange das Leben unter autoritären Herrschern der Normalfall war, war Gott vor allem ein allmächtiger und sehr autoritärer Herrscher, inzwischen ist er populistisch-demokratisch geworden und sogar zum Erfinder der Menschenrechte aufgestiegen, die er durch Jahrhunderte entschieden bekämpft hatte. Selbst seine Lieblingstätigkeit, das Verdammen, dem Gott durch die Jahrhunderte mit größtem Eifer nachgegangen ist, darf er heute kaum noch ausüben, er wurde zum Händler von Liebe und Grießschmarrn umgemodelt, ja man muss sagen: als solcher neu geschöpft. Denn die Liebe zu allen Menschen ist seit dem 2. Vatikanum die große Frage, die von den Atheisten aufgeben wurde und die von den Katholiken Tag für Tag ununterbrochen betrieben wird. Solang's die Krankenkasse zahlt und es die Kirche nix kostet.

Insgesamt ist es jedenfalls für katholische Kleriker nicht statthaft, zu akzeptieren, dass die Menschen Urheber und Ziel von Wirklichkeit sind, weil wenn man das anerkennt, würden die Kleriker arbeitslos und könnten das "Opium des Volkes" nimmer verkaufen. Aber die diesbezüglichen Geschäfte gehen sowieso immer schlechter und auch die Konkurrenz wird immer mehr. Früher hat's das nicht gegeben, Scheißreligionsfreiheit.