In einer Diskussion über den Ethikunterricht in der Tageszeitung "Die
Presse" legte am 15.2.2013 der Professor für Dogmatik an der Katholisch-theologischen
Fakultät der Universität Graz, Bernhard Körner, im letzten Absatz seiner Ausführungen
seine religiösen Grundlagen dar: "Für Christen ist der entscheidende
Maßstab das Leben und die Predigt Jesu. Und da hellt sich die Sache auf - ganz
in der schönsten Tradition des Volkes Israel - bis zum kühnen Satz im Ersten
Johannesbrief: "Gott ist die Liebe" (1 Joh 4,16). Dieser Satz scheint
mir Grund genug, ein gläubiger Christ zu sein, denn er ist das Fundament nicht
nur für die Ethik, sondern auch eine Quelle der Hoffnung und der Freude. Und
ohne Hoffnung und Freude hat es auch die Ethik schwerer."
Die drei
Johannesbriefe sind schwer zuzuordnen, man weiß nicht, ob alle drei vom selben
Verfasser sind und ob das dieselbe Person war, der auch das Johannesevangelium zugeordnet
wird. Auch zeitlich gehen die Meinungen auseinander, von der zweiten Hälfte
des ersten Jahrhunderts bis in die erste Hälfte des zweiten. Auffällig ist,
dass die von Professor Körner angeführte Stelle "Gott ist die Liebe"
sonst in der ganzen Bibel nicht vorkommt, wie eine Volltextsuche ergab.
Hier
die komplette Stelle (1.Joh 4, 7-21): "Liebe Brüder, wir wollen
einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott und jeder, der liebt, stammt von
Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist
die Liebe. Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, dass Gott seinen
einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Nicht darin
besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt
und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat. Liebe Brüder, wenn
Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben. Niemand hat Gott je
geschaut; wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in
uns vollendet. Daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns bleibt:
Er hat uns von seinem Geist gegeben. Wir haben gesehen und bezeugen, dass der
Vater den Sohn gesandt hat als den Retter der Welt. Wer bekennt, dass Jesus
der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott und er bleibt in Gott. Wir haben die
Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen. Gott ist die Liebe,
und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm. Darin ist
unter uns die Liebe vollendet, dass wir am Tag des Gerichts Zuversicht haben.
Denn wie er, so sind auch wir in dieser Welt. Furcht gibt es in der Liebe nicht,
sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht. Denn die Furcht rechnet
mit Strafe und wer sich fürchtet, dessen Liebe ist nicht vollendet. Wir wollen
lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber
seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt,
den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. Und dieses Gebot haben
wir von ihm: Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben."
Und?
Gott liebt uns und aus Revanche lieben wir Gott und unsere Brüder. Das ist
Grund genug, ein gläubiger Christ zu sein. Im o.a. Artikel schrieb Prof Körner:
"Es braucht immer den Versuch, das bleibend Gültige aus dem Zeitbedingten
herauszuschälen, und die Berücksichtigung von humanwissenschaftlichen Kenntnissen.
Dass das nicht immer einfach ist, steht außer Zweifel, Irrwege sind nicht zu
vermeiden."
So einfach geht das! Aus humanwissenschaftlichen Kenntnissen
werden all die lieben Untaten des lieben
Gottes vom Herrn Professor gestrichen. Keine Vertreibung
aus dem Paradies mehr, keine Erbsünde, kein Sodom und Gomorrha und ähnliche
Vernichtungsaktionen, keine die Menschheit ausrottende Sintflut, kein Satan,
keine ewige
Verdammnis, kein Höllenfeuer, kein Heulen, kein Zähneknirschen. Alles aus
dem biblischen Angebot gestrichen.
Die obigen Verse verkauft dann der
Herr Dogmatikprofessor als christliche Ethik und hat damit bewiesen, dass jemand,
der den Religionsunterricht besucht, eine festgefügte Ethik hat und religionsferne
und religionsfreie SchülerInnen einen staatlichen Ethikunterricht als Ersatz
für den verweigerten Religionsunterricht brauchen. Eine derartige Vereinfachung
der Christenlehre hab ich bisher noch nie gehört. Ein Vers aus einer singuläre
Bibelstelle aus fünfzehn Versen wird zum Ethikfundament und weil es dasselbe
kostet auch noch zu einer "Quelle der Hoffnung und der Freude". Wozu
gibt's dann so einen langen Religionsunterricht? Die 15 Johannesverse könnte
man doch in einer Stunde lernen. Was man im wirklichen Leben mit diesem biblischen
Süßholzgeraspel anfangen soll, bleibt dann jedem überlassen. Gott ist schließlich
die Liebe und alles ist geregelt. Ein Hoch der religiösen Einfalt! Zu blöd,
dass von der "Liebe Gottes" auf Erden rein gar nichts zu bemerken
ist. Amen.