Kunst gegen Missbrauch

(Siehe auch Nachtrag ganz unten)

Dietmar Schoder kündigte am 25.2.2013 an:
Ich werde morgen anlässlich des umstrittenen Symposiums zum Thema Missbrauch tagsüber (8 bis 15 Uhr) vor dem Haus der Industrie eine spontane Vernissage veranstalten. Die Bilder, die ich dabei vor Ort (Wien, Schwarzenbergplatz 4) produzieren werde, stellen die zerstörten Lebensjahre der Betroffenen dar. Man kann die Bilder auch erwerben, der Reinerlös kommt den Opfern zugute.

Am 27.2. berichtete der Künstler über seine Aktion:

Zum heutigen Tag möchte ich folgendes angeben: Heute hat im Haus der Industrie ein Symposium stattgefunden. Das Thema war Missbrauch.
Ich wollte den Präsidenten der Industriellenvereinigung in diesem Zusammenhang zu einer Kunstaktion bewegen. Gestern um Mitternacht habe ich dann von ihm ein Mail bekommen, dass er in Brüssel sei und daher meiner Aktion leider nicht beiwohnen könne. Er wolle danach aber auf jeden Fall eines meiner Bilder kaufen.
Heute habe ich den ganzen Tag damit zugebracht, vor dem Haus der Industrie Bilder zu malen, Lackspray auf Karton. Ich habe dabei immer wieder mit Betroffenen gesprochen, die das Symposium besucht haben, und ich habe jeden gefragt, wie viele Lebensjahre ihm durch Missbrauch zerstört wurden. Für jeden habe ich ein Bild angefertigt und seine Zahl an zerstörten Jahren draufgesprayt. Die Bilder klebte ich mit Klebeband an die Hauswand des Hauses der Industrie. Mein Ziel war, dass die Bilder verkauft werden und der Reinerlös den Betroffenen zugutekommt.
Am Schluss des Tages waren es 28 Personen und in Summe 939 zerstörte Jahre.
Als ich jetzt am Abend die Bilder abnehmen wollte, brachte ich es nicht übers Herz, die 939 Jahre spurlos zu entfernen, während sich die Folgen des Missbrauchs nicht von den Seelen so vieler Menschen entfernen lassen. Daher habe ich in meiner künstlerischen Intuition die Zahl 939 dauerhaft an das Gebäude sprayen müssen.

Frage: Haben Sie Alkohol getrunken oder nehmen Sie Medikamente?
Antwort: Beides nein.
Frage: War Ihnen nicht bewusst, dass am Haus dadurch ein Schaden entsteht?
Antwort: Das war keine bewusste Handlung, das war im künstlerischen Schaffensrausch.
Frage: Wollen Sie noch etwas hinzufügen?
Antwort: Die ganze Aktion war sehr spontan, und ich hatte schon den ganzen Tag über meine Gedanken ausgeschaltet. Kunst heißt für mich nicht zu denken, sondern nur zu fühlen.

(Hier einige der gesprayten Kartons der Aktion:)

Während ich sofort danach Selbstanzeige bei der Polizei erstattete, wurde die Zahl 939 vom Portier zugeklebt.

Nachtrag: Dietmar Schoder erhielt am 28.2.2013 von Georg Kapsch, dem Präsidenten der Industriellenvereinigung, folgende Mail:
Sehr geehrter Herr Schoder, mir tut wirklich Leid, dass 939 überklebt und abgewaschen wurde, aber der Portier hat ja die Bedeutung nicht erkannt. Sie können sicher sein, dass Ihre Selbstanzeige keine Konsequenzen haben wird. Sollte etwas passieren, lassen Sie es mich bitte wissen. Mit besten Grüßen - Georg Kapsch