Umfrage: Wer's glaubt, wird selig

BERLIN. (hpd) Wenn die Zeitung mit den großen Buchstaben und die evangelische Nachrichtenagentur idea beide die Ergebnisse einer Studie zum Anteil der Atheisten in der deutschen Bevölkerung veröffentlichen, dann lässt das stutzen. Eine genauere Prüfung zeigt den gemeinsamen Unsinn.

INSA, Institut für neue soziale Antworten, nicht unbedingt eines der bekanntesten deutschen Meinungsforschungsinstitute, dessen Internetseite zum "Meinungstrend Spezial" sich Anfang März 2013 noch auf dem Stand vom Juli 2012 befindet, hatte eine Umfrage gemacht: "Wie viele Atheisten leben in Deutschland?" mit dem Befund, dass, laut idea, "Nicht einmal jeder Fünfte (17 Prozent) ist ein Gottesleugner." Auch unter den Konfessionsfreien sei nur ein Drittel Atheist. Und auch nicht überraschend sei, dass bei den Linken (32 Prozent) und den Piraten (31 Prozent) überdurchschnittlich viele Atheisten seien. Und, so wurde dargestellt, unter den "Befragten ohne berufsqualifizierenden Abschluss" - vulgo: den Doofen - sei der Anteil überdurchschnittlich hoch.

Von der Zeitung mit den großen Buchstaben - Kunde und Medienpartner des Instituts INSA -, deren Redaktion ja auch schon einmal das unvergessliche "WIR SIND PAPST" getitelt hatte, wurde das Umfrageergebnis dann als "NEUE SPANNENDE FAKTEN" dargestellt: "Jeder Fünfte glaubt, dass es keinen Gott gibt."

Und es wird dann berichtet, dass der INSA-Leiter das Umfrageergebnis so erläutert habe: "Die Frage nach Gott beschäftigt die Menschen, unabhängig von ihrer Kirchenzugehörigkeit." Und: "Die Menschen sind offen für einen Glauben an Gott, aber sie sehen die Kirchen offenbar immer weniger als Begleiter in Glaubensfragen." Nun ja, das wäre, wenn es denn so wäre, doch Wasser auf die Mühlen der kirchenkritischen Evangelischen Allianz.

Alles Banane

Der Vorstandsprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, war von idea auch zu dem Ergebnis befragt worden und hatte seine Skepsis geäußert, obwohl ihm die genauen Fragen noch nicht vorlagen. Wörtlich: "Ich selbst würde - obgleich ich in den Medien mitunter als 'Deutschlands Chef-Atheist' gehandelt werde - die Aussage 'Es gibt keinen Gott!' nicht unterschreiben, solange ich nicht weiß, welche Eigenschaften der Fragesteller dem Begriff 'Gott' zuweist." Basis für seine Skepsis sind u.a. die Ergebnisse einer Allensbach-Studie von 2012 in der sich 57 Prozent der Befragten als nicht religiös bezeichnet hatten.

Dem hpd liegen nun die genaue Frage und die Antwortverteilungen vor. Die belegen, dass da grobes wissenschaftlich-methodisches und publizistisches Schindluder betrieben wurde.
Die Deutung der Umfrage ist noch unseriöser, als Michael Schmidt-Salomon es angenommen hatte. Die Forscher des Instituts hatten nämlich nicht gefragt "Glauben Sie an Gott?", sondern vielmehr: "Beschäftigt Sie die Frage nach Gott?" und die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten waren: Ja, sehr / Ja, ein wenig / Nein, eher nicht / Nein, gar nicht / Es gibt keinen Gott / Weiß nicht, keine Angabe.

Auf die tatsächlich gestellte Frage: "Beschäftigt Sie die Frage nach Gott?" hätten auch die meisten Atheisten mit "Ja" geantwortet. Heinrich Böll hat das literarisch in "Ansichten eines Clowns" treffend beschrieben: "Die Atheisten sind langweilig." "Warum?" "Weil sie ständig von Gott reden." Die ersten vier (jeweils zwei Ja- bzw. Nein) Antwortmöglichkeiten befinden sich auf einer ganz anderen Themenebene als die Antwortmöglichkeit "Es gibt keinen Gott." Das Pendant dazu wäre etwa: "Ich glaube an Gott".

Mehrheit nicht interessiert

Die Sichtweise, dass die "Gottlosen" anscheinend diejenigen sind, die in eine dritte Nein-Kategorie fallen, ergibt dann ein Ergebnis, dass mit der erwähnten seriösen Allensbach-Studie von 2012 parallel geht, denn dann sind es nur noch 15 Prozent, die sich "sehr mit Gott beschäftigen" und 27 Prozent, die sich "ein wenig mit Gott beschäftigen", zusammen also 42 Prozent der Befragten. Die Mehrheit (55 Prozent der Befragten) sind diejenigen, die nicht von der Existenz Gottes ausgehen bzw. die sich für die Frage der möglichen bzw. unmöglichen Existenz Gottes nicht interessieren. (Drei Prozent der Befragten geben keine Antwort.)

Wie INSA-Leiter Hermann Binkert also zu seiner Darstellung kommt: "Die Frage nach Gott beschäftigt die Deutschen", das wissen wohl die Sterne.

Das hat die gleiche grobe methodische Verbiegung wie 2007 das vorgebliche Ergebnis des "Religionsmonitor" der Bertelsmann-Stiftung, in dem behauptet wurde: "70 % der Bundesbürger religiös!" Das war eine "Märchenstunde bei Bertelsmann".

Carsten Frerk -  Quelle: http://hpd.de/ Nr. 15311 vom 11.3.2013