(ergänzt 16.4.2013, siehe ganz unten)
Am 11.4.2013 verbreitete die stellvertretende Ressortleiterin
Innenpolitik der Salzburger Nachrichten, Inge Baldinger in einem gegen das Volksbegehren
gegen Kirchenprivilegien gerichteten Artikel die Ansicht "Kirchen
helfen dem Staat". Wozu es einige weniger kirchenfreundliche Argumente gibt, die ich mir
erlaubte, an Frau Baldinger und das Leserforum der SN zu übermitteln:
Werte
Frau Baldinger! Meinen Sie das im Ernst? Wenn man sich ihre Auflistung durchschaut,
dann könnte man fast meinen, das österreichische Sozial- und Gesundheitssystem
hänge an der kirchlichen Wohltätigkeit. Ein bisschen Recherche hätte Sie
allerdings in Kenntnis setzen können, dass z.B. die kath. Kirche das Caritas-Budget
mit zwei Prozent finanziert, alles andere für Kindergärten, Altenheime, Pflegeheime
und sonstige Dienstleistungen kommt aus der öffentlichen Hand, von Nutzerbeiträgen
und in einem geringen Ausmaß von Spenden. Sie würden sicherlich nicht auf die
Idee kommen, dass Leistungen der SPÖ-nahen "Volkshilfe" oder des "Arbeitersamariterbunds"
aus der SPÖ-Parteikasse finanziert würden, aber im kirchlichen Bereich glauben
Sie sowas.
Die kirchlichen Krankenhäuser werden vollständig aus der
öffentlichen Hand finanziert. Wenn dort das Personal schlechter bezahlt
und schlechter behandelt wird, dann ist das auch sicherlich kein Verdienst christlicher
Barmherzigkeit, sondern eher ein Hinweis auf schlechte gewerkschaftliche Organisation.
Wie man an Ihrem Artikel sieht, ist es den Kirchen gelungen, der Öffentlichkeit
die Sozialdienstleistungen, die von kirchlichen Einrichtungen gegen öffentliche
Mittel und sonstige nichtkirchliche Gelder geleistet werden, als kirchliche
Leistungen für die Allgemeinheit zu verkaufen. Wenn Ihnen der Blinddarm
operiert wird, dann zahlt das die Krankenkasse, egal, ob Sie im AKH liegen oder
bei den Barmherzigen Schwestern und wenn die Schwestern neue Gerätschaften brauchen
oder ihr Spital renovieren, dann zahlt das auch die Öffentlichkeit und nicht
der Schwesternorden, die Diözesanfinanzkammer oder der Vatikan.
Die
"Entlastung" im Schulwesen besteht darin, dass kirchliche Privatschulen
die Lehrergehälter zu 100% staatlich ersetzt bekommen und die anderen Betriebskosten
von den Eltern mittels Schulgeld bezahlt werden, die Kirche zahlt eher nichts!
Aber dafür haben betuchte Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder auf "bessere"
Schulen zu schicken, wo es z.B. keine Sprachprobleme von Migrantenkindern gibt,
man sucht sich dort ja die Kinder aus. Außer ein paar gut integrierte Migrantenmusterkinder
werden Sie in kirchlichen Privatschulen die diesbezüglichen Probleme an öffentlichen
Schulen in Ballungsräumen nicht vorfinden, darum steigt die Nachfrage nach Privatschulen.
Die
Mitgliederverwaltung macht kostenfrei auch der Staat für die Kirchen, indem
die Meldedaten mit den Angaben des Religionsbekenntnisses an die Kirchen weitergegeben
werden, was in Sachen Datenschutz auch sehr seltsam ist. Und warum Kirchenmitglieder
ihre Mitgliedsbeiträge von der Steuer absetzen können, ist absolut nicht nachvollziehbar.
Ein Konfessionsloser kann nichts absetzen, obwohl er dem Staat allein schon
dadurch Geld spart, dass seine Kinder kein Lehrpersonal und keine Schulbücher
für den Religionsunterricht brauchen. Und warum die religiöse Bildung des Mitgliedernachwuchses
auf Staatskosten erfolgt, ist erst recht nicht nachvollziehbar. Sie würden bestimmt
aufschreien, wenn Kinder in der Schule je nach Parteizugehörigkeit ihrer Eltern
politischen Unterricht erhielten, damit sie mit fünfzehn politisch gut gerüstet
in die SJ oder JVP eintreten könnten.
Achja, Denkmalschutz: Laut Statistik
Austria waren 2011 von 36.743 denkmalgeschützten Objekten nur 11.759 Sakralbauten
(einschließlich Friedhöfe und Kapellen), da fehlt einiges auf Ihre 70%.
Trotzdem wird die Hälfte der Gelder für Denkmalschutz für Sakralbauten ausgegeben.
Und dass die Kirchen viel zu viele Kirchengebäude haben, ist ein Kirchenproblem,
kein staatliches.
In Frankreich wurden vor über 100 Jahren Staat und Kirchen
vollständig getrennt, wie es sogar in einem Christuswort vorgesehen ist:
gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und gebt Gott was Gottes ist. In Österreich
muss der "Kaiser" immer noch im Konkordat vorgeschriebene Zahlungen
an "Gott" leisten und diverse Gottkosten übernehmen, sowie auch das
aus der Staatskasse zahlen, das "Gott" vermeintlich fürs allgemeine
Wohl tut. Letzteres zahlt auch in Frankreich der Staat, außerdem stehen dort
alle vor 1905 errichteten Sakralbauten unter staatlicher Verwaltung. Aber ansonsten
muss sich die Kirche in Frankreich auf eigene Kosten und mit eigener Mühe um
ihre Angelegenheiten kümmern. Eine vorbildliche Lösung für das ganze immer
säkularer werdende Europa!
Ihr Artikel war völlig einseitige Kirchenpropaganda
und entbehrte jeder ausgewogenen sachlichen Recherche zum Thema, die Pressestelle
der Diözese hätte dasselbe schreiben und es in den Salzburger Nachrichten als
Inserat abdrucken lassen können. Diesen Brief schicke ich auch ans Leserforum
der SN und bin gespannt, ob er eine etwaige katholische Zensur passieren kann.
MfG, Erwin Peterseil, 4020 Linz
PS: Nachtrag vom 16.4.2013: Der obige offene Brief an die Redakteurin
Baldinger fiel keiner katholischen Zensur zum Opfer, sondern erschien in
gekürzter Form am 16. 4. 2013 in den Salzburger Nachrichten, hier diese
Seite mit meinem Brief, einem Kirchenverteidigungsbrief und einem weiteren
kritischen Leserbrief:
PPS:
Frau Baldinger hat bisher auf die Kritik allerdings nicht reagiert ...