Hier das Endergebnis nach Bundesländern:
Bei den Bezirksergebnissen sieht man fast überall, dass die Landeshauptstädte
ca. doppelt so hohe Prozentanteile haben wie die anderen Bezirke - die Ausnahme
bildet Vorarlberg, das prozentmäßig landesweit etwa gleich verteilt liegt und
außerdem nach Wien den zweithöchsten Anteil hat (bei den Kirchenaustritten liegt
Vorarlberg prozentuell ebenfalls regelmäßig an zweiter Stelle). Aber selbst
die 1,53 % in Wien hätten österreichweit nicht für die 100.000 Unterschriften
gereicht.
Es gibt dafür objektive Gründe: Im dörflichen und kleinstädtischen
Bereich bedarf es immer noch eines gewissen Mutes, sich öffentlich gegen die
Macht der Kirche zu stellen. Wenn im Dorf der Gemeindesekretär jeden Sonntag
zur Kommunion geht, dann werden es die meisten Menschen für vernünftiger halten,
ihn nicht werktags mit Unterschriften für ein solches Volksbegehren zu belästigen.
Aber diese strukturellen Überreste der tradionell-feudalen bis klerikalfaschistischen
Einheit von Religion und Staat war sicherlich kein entscheidender Gesichtspunkt.
Der
wichtigste außerhalb liegende Grund war wohl, dass heute religionslose Menschen
nicht aus einer Anti-Gesinnung religionslos sind, sondern weil sie keinen Bedarf
für Religion haben, denen ist ein solches Volkbegehren genauso egal wie die
Religion selber. Offenbar sind die rund zwei Millionen Konfessionslosen
in Österreich weit überwiegend dieser Gruppe zuzuordnen.
Die katholische
Kirche hat sehr heftig auf die Einleitung dieses Volksbegehrens reagiert und
ein Vielfaches an Mitteln in die Gegenpropaganda gesteckt, allein die kirchlich
verbreiteten Flugblätter gegen das Volksbegehren erreichten ein hundertfach
höhere Zahl als die von den Initiatoren verteilten, diese konnten keine Million
Flugzettel finanzieren. Überraschend gut hatte die Medienpräsenz zum Volksbegehren
funktioniert, das Thema wurden gerne aufgenommen, in den meisten Medien jedoch
ambivalent behandelt. Von den Parlamentsparteien gab es nur eine partielle Unterstützung
seitens der Grünen, die im letzten Moment auch noch durch eine Distanzierung
seitens der Grünenchefin Glawischnig unterminiert wurde. Die kirchliche Gegenpropaganda
war zum Teil hetzerisch, zum Teil verlogen.
Inzwischen zugegeben hat man, dass der Inhalt des Volksbegehrens nicht
ausreichend durchdacht gewesen war und man vorschnell damit loslegte, ohne sich
darüber Gedanken zu machen, wo man angreifbar sein könnte. Der schwerste Fehler
war die oft wiederholte Aussage, jährlich erhielten die Kirchen 3,8 Milliarden
Euro staatliche Mittel.
In dieser Summe waren auch sämtliche Zahlungen
an in kirchlichem Besitz befindlichen Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitswesen
enthalten. Historisch gewachsen gibt es eben eine Anzahl kirchlicher Spitäler,
weil in den Zeiten der völligen Einheit von Staat und Religion die Krankenpflege
zu den kirchlichen Aufgaben gehörte, was erst langsam durch weltliche Maßnahmen
ergänzt oder ersetzt wurde. Es geht daher nicht an, die öffentliche Finanzierung
von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen im kirchlichen Besitz mit einer Zahlung
an die Kirchen gleichzusetzen. Wenn Krankenhäuser der "Barmherzigen Schwestern"
oder Pflegeheime der Diakonie staatlich finanziert werden, dann sind das keine
Zuwendungen an die Kirchen als solche. Die Kirchen konnten dazu recht leicht
auf den Nutzen dieser Einrichtungen verweisen und versuchten gleichzeitig in
verlogener Weise auch noch die christliche Nächstenliebe dazu zu strapazieren.
Hier
hätte von Anbeginn streng getrennt argumentiert werden müssen:
was erhalten die Kirchen an öffentlichen Mitteln direkt in ihre Kassen,
was erhalten sie und ihre Mitglieder durch Steuerbegünstigungen,
was kostet der staatliche Religionsunterricht, was kosten die staatlichen Theologiefakultäten,
wieviel finanziert der Staat neben dem Denkmalschutz bei kirchlichen Bauten,
warum behaupten
die Kirchen, sie würden Leistungen für die Allgemeinheit erbringen, wenn diese
Leistungen fast ausschließlich mit öffentlichen Geldern finanziert werden.
Auf
dem Flugblatt mit der Unterstützungserklärung
wurde einerseits lückenhaft argumentiert, andererseits eine zu große Anzahl
von Themen angesprochen, z.B. fand die Abschaffung des Religionsunterrichtes
auf den Unterstützungserklärungen gar keine Erwähnung, dafür wurden Nebensächlichkeiten
wie Spendenabsetzbarkeit und Zivildienereinsatz angeführt.
In Oberösterreich
hatte der Verein "Allianz für Humanismus und Atheismus" (AHA) 2009
den Versuch unternommen, ein ähnliches Volksbegehren einzuleiten. Mit diesem
Versuch trat man voreilig, alleine und ziemlich planlos an die Öffentlichkeit, nach einigen Monaten
war klar, dass so eine Spontiaktion einer Kleingruppe sinnlos ist und die Sache
wurde eingestellt.
Der Gesetzesentwurf wäre allerdings nicht schlecht
gewesen:
Artikel 1
(1) Staat und Kirchen werden getrennt.
(2) Die
Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der
Zusammenschluss von Religionsgesellschaften innerhalb des Bundesgebietes unterliegt
keinen Beschränkungen.
(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet
ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der gesetzlichen Schranken. Sie verleiht
ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates.
(4) Die Rechtsfähigkeiten der Religionsgesellschaften
richten sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über die Rechtsfähigkeit
der Vereine.
Artikel 2
Alle bisher auf Gesetz, Vertrag oder besonderen
Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden
aufgehoben.
Artikel 3
Der Religionsunterricht wird abgeschafft.
Artikel
4
(1) Das Anbringen von religiösen Symbolen in oder an Gebäuden des Bundes,
der Länder oder Gemeinden ist untersagt.
(2) Niemand darf zur Leistung religiöser
Eide gezwungen werden.
Es handelte sich bei diesem Text um den sozialdemokratischen
Vorschlag für die neue Verfassung der Republik Österreich nach dem 1. Weltkrieg.
Dieser Entwurf war in der Szene bekannt. Daran anzuknüpfen und zu einzelnen
Punkten konkrete zeitbezogene Argumente vorzubringen, hätte sicherlich ebenfalls
große kirchliche Aufregungen verursacht, aber die Gegenargumentation deutlich
erschwert. Wie kompliziert die Gegenargumentation auf die Gegenargumente der
Kirche hingegen beim jetzt durchgeführten Volksbegehren war, zeigte sich an
diesem Text - wer wird das
von den Menschen gelesen haben, die nicht sowieso zum harten antiklerikalen
Kern gehörten? Die waren sicherlich nicht in Hundertschaften zu zählen, gebraucht
hätte man allerdings Zehntausendschaften.
Die Atheistenszene hat sich
letztlich mit dem Volksbegehren öffentlich blamiert, auch wenn Niko Alm das
am 22.4.2013 in ZiB2 schönzureden versuchte, die katholische Kirche kann sich
die Hände reiben, ihre Kritiker sind abgeblitzt und untergegangen und die Engagierten
haben jetzt den Frust ihrer vergeblichen Arbeit zu ertragen.
So eine Aktion hätte umfassender vorbereitet, es hätte der Inhalt ausdiskutiert
werden müssen, es hätte funktionierender gemeinsamer organisatorischer Strukturen
bedurft, so haben einige Leute das nach ihrem Gutdünken erstellt, sind ohne
Absprachen mit allen tatsächlichen oder möglichen Bündnispartnern vorschnell
gestartet, erhebliche Teile der Szene wurden nicht eingebaut, sondern es wurde
praktisch keine andere Möglichkeit gelassen, als widerspruchslos mitzumachen.
Funktioniert hat das leider nicht. Amen.
PS: Aber man ist schon dabei,
alles schön zu reden, z.B. auf konfessionslos.at.
Was mich irgendwie an die Argumente in der "Volksstimme" erinnert,
wenn wieder bei einer Wahl ein Stimmenverlust der KPÖ auftrat: da war dann immer
der Antikommunismus schuld und die verbliebenen Promille eigentlich gar nicht
so schlecht, weil viel mehr hatte man sich ja eh gar nicht erwarten können.
Die
neun Promille Antikirchenprivilegien-Unterschriften werden jetzt auf dieselbe
Art zum Erfolg umgedeutet, mehr hätte man sich sowieso gar nicht erwartet gehabt
und dass es nicht 18 Promille waren, daran ist der Antisäkularismus der Kleriker
schuld. Sich jetzt in den eigenen Sack zu lügen, statt die Ursachen zu suchen,
ist ein Zeichen von Hilflosigkeit, aber keine Lösung.
PPS: Im Mittagsjournal
vom 23.4.2013 war das freudig erregte Johlen der Kirchenfunktionäre über das
missglückte Volksbegehren ausführlich zu vernehmen.