Lange Jahre hat sich der Staat Österreich über die Integration von Zuwanderern
gar nicht bekümmert, es wurde sozusagen alles dem evolutionären Selbstlauf überlassen.
Es gab daher tatsächlich solche naturwüchsige Entwicklungen. Die aus der Türkei
stammenden Zuwanderer waren in einer erheblich anderen Welt gelandet als die
gewesen war, aus der sie stammten. Bei der größten Einwanderergruppe der damaligen
Zeit aus Jugoslawien war dies weniger formend, erstens war der Lebensunterschied
nicht so groß und zweitens das Herkunftsland nicht so weit weg.
Darum
war es eine markante Erscheinung der ersten Jahrzehnte im Gastarbeiterzeilalter:
die Türken trafen sich in den Städten in Großgruppen auf dem Bahnhof, tauschten
dort ihre Erfahrungen und Erlebnisse aus und brauchten auf diese Art die Mühen
der Integration nicht auf sich nehmen. Wenn es bei für ihren Alltag wichtigen
Dingen Änderungen gab, erfuhr man das ruckzuck bei den Bahnhofsversammlungen
und passte sich rasch daran an. Der damalige Kabarettwitz, "ich nix verstehn,
ich andere Baustelle", hatte speziell bezüglich türkischer Einwanderer
einen gewissen Wahrheitsgehalt. Was später noch verschärft wurde: Gastarbeiter
bauten sich eine Existenz auf und holten Frauen aus ihren Heimatdörfern nach,
das "nix verstehn" verschlechterte sich innerfamiliär und niemand
kümmerte sich darum. In den Neunzigerjahren fiel das dann doch endlich auf:
die Gastarbeiterkinder kamen in die Schule und sprachen nur ihre Muttersprache,
besonders solche mit türkischem Hintergrund, denn dort hatte sich aus den Bahnhofgemeinschaften
eine eigene Parallelgesellschaft gebildet.
Nun folgte eine weitere
elementare Dummheit der österreichischen Politik: man definierte die Zuwanderer
mit den größeren Integrationsproblemen nach ihrer Religion: Es waren keine Türken
mehr, es waren Muslime. Damit wurde gerade die Hauptursache für Integrationsprobleme,
nämlich die islamischen Tradition der Bildungsferne, zum Identifikationsobjekt.
Bei den jugoslawischen Einwanderern kam kein Mensch auf die Idee, sie religiös
zu untergliedern, denn deren Integrationsprobleme waren deutlich geringer.
Am
23.4.2013 wurde nun eine Studie zur Umfrage unter 1000 Muslimen mit türkischem
oder bosnischen Hintergrund vorgelegt. Absolut unverständlich ist, warum
diese Umfrage nicht unter Personen mit türkischem und bosnischem Hintergrund
gemacht wurde, ohne die Religion als Hauptmerkmal zu verwenden. Schließlich
gibt es ja auch zahlreiche religionsfreie Türken und Bosnier, sie in die Befragung
einzubauen, hätte sicherlich wesentliche zusätzliche Erkenntnisse gebracht.
Außerdem wäre es sinnvoll gewesen, Türken und Bosnier getrennt zu behandeln,
etwa ein Viertel der von ihrer Herkunft her als Muslime deklarierten Einwohner
in Österreich dürfte bosnischen Hintergrund haben. Tatsächlich Muslime sind
in Österreich ja nur rund 150.000 (registrierte Mitglieder der Islamischen Glaubensgemeinschaft
und der muslimischen Aleviten), knapp 400.000 sind rechtlich konfessionslos.
Von 39 % wird den
Frauen die Hausfrauenrolle zugewiesen, in der 2. Generation habe sich das jedoch
gebessert, ebenfalls geändert hat sich der Kinderwunsch, die 2. Generation will
weniger Kinder.
Bemerkenswert
ist, dass sich Musliminnen selber als moderner einschätzen als die Männer, offenbar
hat eine Umwelt, in der die Frauenemanzipation beobachtet wird, günstige Auswirkungen.
Die extreme Religiosität der Muslime nimmt auch ab: Unter der autochthonen Bevölkerung
Österreichs bezeichnen sich nur noch 38 % als religiös, bei den muslimischen
Einwanderern der 1. Generation waren es noch 73 % der Männer und 87 % der Frauen,
in der 2. und 3. Generation sind es 57 % Männer und 62 % Frauen.
Was irgendwie mit dem islamischen Kopftuch in Widerspruch steht, denn nur 13
% halten das Tragen eines Kopftuches für überflüssig, immerhin 56 % der Muslime
sagen zumindest, über das Kopftuchtragen sollten die Frauen selbst entscheiden,
16 % sehen das Kopftuch als Pflicht. So wie die Umfrage präsentiert wurde, hatte
man anscheinend nur die Männer danach gefragt.
25 % der Befragten wollen, dass der Islam eine "tragende Rolle" spielen
solle, fünf Prozent sind für eine dominierende Islamrolle, das dürfte der Bereich
sein, wo Extremisten ihr Rekrutierungsfeld finden, ein Bereich der weitaus größer
ist als der entsprechende Extremismus der Eingeborenen, weil 25.000 Neonazis
gibt's in Österreich bei weitem nicht.
Sechs von zehn fühlen sich wegen der islamischen Religion benachteiligt, ein
sehr hoher Anteil, der die diesbezügliche Lebenswirklichkeit in Österreich nicht
wahrgenommen hat. Denn in Österreich ist Religion Privatsache, öffentlich gelebte
Religion ist eine auffällige seltsame Randerscheinung. Auch diesbezüglich auffällige
Christen werden ihre einschlägigen negativen Erlebnisse zu beklagen haben.
Es
liegt also noch ein sehr weiter Weg bis ins säkulare Europa vor den muslimischen
Einwanderern, aber immerhin zeichnet sich so ein Weg schon ein bisschen ab!