Der Versuch der Militärs, eine zivile Übergangsregierung in Ägypten zu
bilden, ist vorerst gescheitert, weil die Islamisten dabei mitreden konnten
und alle Vorschläge abgelehnt und die Rückkehr Mursis gefordert haben. Als Islamisten
nun einen Angriff auf eine Militäreinrichtung am Stadtrand von Kairo starteten,
eröffnete das Militär das Feuer, 42 Tote waren die Folge.
Die drei
Gruppe in der ägyptischen Gesellschaft, das Militär, die Säkularen und die Islamisten
können keine gemeinsame Basis mehr entwickeln, die Islamisten wollen nun in
Richtung Bürgerkrieg weiterwirken. Was allerdings wenig erfolgversprechend
aussieht, da das Militär in seiner Struktur nicht islamistisch ist, die Islamisten
zwar bei den parlamentarischen Wahlen mehr als eine Zweidrittelmehrheit erreichten,
aber seither stark an Unterstützung verloren haben, bei den Präsidentenwahlen
2012 hatten die Säkularen unter den fünf Kandidaten der ersten Runde zusammen
schon die Mehrheit.
Wenn die Islamisten nun versuchen, mit der organisierten
Kraft ihrer engagierten Anhänger im Kampf die Macht übernehmen zu wollen, wird
ihnen die inzwischen entstandene Zivilgesellschaft gegenüberstehen und das Militär
als Ordnungsmacht sowieso. Ein Bürgerkrieg wird für die Islamisten nicht
zu gewinnen sein, darum scheint das islamistische Kriegsgeschrei momentan nur
ein Kriegsgeschrei auf Probe zu sein.
Da wird sich auch durch eine Fatwa
eines Obermullahs namens Yusuf al-Qaradawi nicht ändern, die verlautete:
"Die Scharia verlangt von allen Gläubigen Loyalität zum gewählten Präsidenten,
seine Befehle auszuführen und seine Direktiven zu befolgen. Mursi muss Präsident
bleiben, und niemand kann das Recht beanspruchen, ihn im Namen des Volkes zu
entfernen! Ich rufe alle Ägypter dazu auf, Männer und Frauen, jung und alt,
reich und arm, Moslems und Christen, liberal und islamisch, die Reihen zu schließen,
um das Erreichte der Revolution zu schützen, die 2011 Hosni Mubarak stürzte."
Am
6.7.2013 sagte der ägyptische Islamkritiker Hamed Abdel-Samad in einem Spiegel-Interview
u.a.: "Wann immer die Islamisten nach der Macht griffen, gab es zwei
Szenarien: Gelang ihnen die Machtergreifung, so regierten sie mit eiserner
Hand und verwandelten ihre Gesellschaften in Freiluftgefängnisse wie Iran, Afghanistan,
Somalia oder Sudan. Wurden sie von der Macht verdrängt wie in Algerien Ende
der achtziger Jahre, verwandelten sie sich in terroristische Organisationen
und richteten Blutbäder auch in der Zivilbevölkerung an. (..)
Jetzt schicken
die Muslimbrüder ihre Milizen auf der Straße, schießen wild um sich und versuchen,
die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen, um ihren gestürzten Präsidenten
zurück an die Macht zu bringen. Doch die Muslimbrüder haben den Zeitgeist
nicht verstanden. Sie konnten nicht begreifen, dass sie im Zeitalter der globalen
Kommunikation keine neue Diktatur aufbauen können. Sie nutzten die Demokratie
als Trojanisches Pferd, um an die Macht zu kommen, dann versuchten sie, die
Demokratie von innen zu zerstören. (..)
Ja, Mursi wurde demokratisch gewählt
und kam auf legalem Wege an die Macht. Aber es gibt einen bedeutenden Unterschied
zwischen legal und legitim. Legalität ist das Verfahren; Legitimität ist der
langfristige Prozess. Für mich ist Mursi deshalb seit Monaten kein legitimer
Herrscher Ägyptens mehr. Denn kaum wurde er gewählt, brach er alle seine Versprechen
und wandte sich vom demokratischen Regelwerk ab. Er setzte sich durch umstrittene
Dekrete über das Gesetz hinweg und ließ zu, dass die Milizen der Muslimbrüderschaft
das obere Verfassungsgericht belagerten, um die Richter daran zu hindern, ein
Urteil gegen seine islamistische Verfassung zu fällen. (Anm.: siehe dazu Info
Nr. 1192) - (..)
Außergewöhnliche Zeiten erfordern
außergewöhnliche Maßnahmen. Was die Armee am 3. Juli machte, war kein wirklicher
Putsch, sondern eine Geiselbefreiungsaktion. Ein ganzes Land war von Mursi
und seinen Muslimbrüdern im Namen der Demokratie als Geisel genommen, misshandelt
und entstellt worden. Nun sind die Karten neu gemischt, und die Muslimbrüder
haben die Chance, sich an der neuen Regierung und an demokratischen Wahlen zu
beteiligen, aber das wollen sie nicht. (..)
In Kairo, Alexandria, auf der
Halbinsel Sinai und im Süden des Landes wollen sie mit Gewalt den abgesetzten
Präsidenten wieder installieren. Dutzende Tote und Hunderte zum Teil Schwerverletzte
sind das Ergebnis des ersten Tages. Die letzte Schlacht der Fanatiker hat
begonnen, und sie werden verlieren."