Bürgerkrieg in Ägypten?

Der Iran scheint das zu erwarten. Denn in verschiedenen Medien wird berichtet, dass der iranische Obermullah Ajatollah Khamenei vor einem Bürgerkrieg in Ägypten gewarnt habe: "Wir sind beunruhigt über das, was in Ägypten passiert. Die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs wächst von Tag zu Tag, und das ist eine Katastrophe", sagte er anlässlich einer TV-Rede zum Ramadan-Ende. In Ägypten sollten das Volk, die Intellektuellen, die politischen und religiösen Verantwortlichen sich der Bürgerkriegsgefahr bewusst sein. "Wenn der Bürgerkrieg beginnt, wird ihn nichts aufhalten können". Khamenei warnt andere Staaten vor einer Einmischung. Aber es ist wohl eher zu vermuten, dass dem Khamenei ein Aufstand der islamisten nur Sorgen machen würde, wenn er erfolglos bleibt.

Könnte in Ägypten ein Bürgerkrieg ausbrechen?

Wohl doch nur dann, wenn die zurzeit politisch ausgeschalteten Islamisten sich so stark fühlten, durch Massenmobilisierungen ihre Forderungen durchsetzen zu können. Die Islamisten haben mehrfach versucht, Millionen zu mobilisieren, zumindest riefen sie wiederholt zum "Marsch der Millionen" auf. Aber das letzte Mal waren Millionen auf der Straße als der Sturz des islamistischen Präsidenten Mursi gefeiert wurde, die Islamisten brachten bei ihren Pro-Mursi-Demos jeweils nur einige Zehntausend auf die Füße und mit einigen zehntausend Demonstranten macht man keinen Bürgerkrieg.

Sogar von einem "Fest des Sieges" sprachen die Islamisten schon - allerdings ohne etwas gewonnen zu haben.

Der aktuelle Herrscher Ägyptens, General Abd al-Fattah al-Sisi, wurde in den USA ausgebildet und hat dort 2006 den "Master in Strategic Studies" gemacht, in seiner aufsatzartigen Abschlussarbeit schildert er seine Vorstellungen über Demokratie im islamischen Bereich und verlangt dafür "ein gutes Klima wie eine vernünftige Wirtschaftssituation, gebildete Menschen, ein moderates Verständnis von Religion und ein Mindestmaß an Einverständnis des Regimes, seine Macht zu teilen". Demokratie sei gut und schön, aber erst, wenn alle Probleme gelöst wären. Den Staat stellt er sich als von Prinzipien der Gleichheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit geleitet und mit einem einigen Volk vor.

Ihm dürfte somit zumindest klar sein, dass es im heutigen Ägypten nicht darum geht, allumfassenden Islamismus einzuführen, sondern den Menschen ein besseres Leben als früher zu bieten und persönliche Freiheiten zuzulassen. Aber die Islamisten hatten gezeigt, dass die Lebensverhältnisse der Menschen nicht besser, sondern schlechter wurden im Vergleich zur Mubarak-Zeit und die Abschaffung des bisherigen Säkularismus stieß offenbar auf keine Massenbegeisterung, weil sonst marschierten die aufgerufenen Millionen und nicht nur einige Zehntausend.

Die für heuer vorgesehenen Parlamentsneuwahlen sind noch nicht terminisiert. Wichtig wird es sein, dass die Säkularisten nicht wieder mit einer Latte von Splitterparteien antreten, sondern dem im Prinzip aus nur zwei Parteien (Muslimbrüder und Salafisten) bestehenden Islamistenblock möglichst kompakt gegenübertreten. Dann können hoffentlich die demokratischen Zustände, die man beim Sturz Mubaraks anstrebte, doch noch durchgesetzt werden.