Es ist erschreckend bis abstoßend, wie sich große Teil der (unwählbaren)
politischen Klasse und der Medien im Westen offen bis verdeckt auf die Seite
der radikalislamischen Muslimbrüder schlagen und die blutigen Auseinandersetzungen
in Ägypten und anderen arabischen Ländern mit wohlfeilen Phrasen und Forderungen
falsch einschätzen und bewerten.
Damit fallen sie den dort glücklicherweise
vorhandenen antiislamistischen Fortschrittskräften in den Rücken, die sich vom
Joch des islamischen Sittenkorsetts befreien wollen und unter komplizierten
Bedingungen für eine säkular-demokratische Lebensordnung kämpfen, in der Religion
Privatsache ist und keine absolute Normierungsmacht mehr besitzt.
Eine
zentrale Voraussetzung hierfür ist allerdings die Brechung der Vorherrschaft
islamischer Kräfte in Staat und Gesellschaft. Und diese Intention ist kein kurzfristiges
Zuckerschlecken. In Ägypten jedenfalls gehört offenkundig das Aufstellen von
antiislamistischen Bürgerwehren dazu, um sich vor der Gewalt der Gottesfanatiker
zu schützen.
Im Gegensatz hierzu war und ist es das Ziel der international
agierenden Muslimbrüder, einen totalitären Gottesstaat zu errichten, in dem
das absolute Gesetz der Scharia gilt und sämtliche elementaren Grund- und Menschenrechte
mit Füßen getreten werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wenden die Islamisten
- nicht nur in Ägypten - im Rahmen einer arbeitsteiligen Strategie und in Abhängigkeit
von realen Kräfteverhältnissen sämtliche Mittel an: gewaltsame und scheinbar
friedliche. Wie wir uns erinnern, nahmen auch die Nationalsozialisten an Wahlen
teil und gewannen sogar die letzten Reichstagswahlen. Waren sie deshalb "legitimiert"?
Vgl.
hierzu: Demokratie unter islamis(tis)cher
Vorherrschaft?
Die gleichen Politiker und Journalisten, die kaum
ein Wort der Kritik gegenüber den islamisch begründeten Diktaturen im Iran und
in den Golfstaaten verlieren oder auf geistig-moralischer Tauchstation sind,
wenn - wie in Tunesien - säkulare Politiker auf offener Straße erschossen werden
oder im Iran angebliche Ehebrecher und Gotteslästerer gesteinigt werden und
sich auch nicht scheuen, Waffenlieferungen an islamische Despotenstaaten zu
genehmigen, werden mit einem Mal wehleidig und sanktionsbeflissen. Ausgerechnet
jetzt, da ausnahmsweise einmal nicht die islamische Seite der Gewaltanwendung
dominiert, fabulieren sie einseitig von einem "Massaker an Muslimbrüdern"
und machen sich damit die Sprachregelung des türkischen Ministerpräsidenten
Erdogan zu eigen, also eines ebenso erfahrenen wie demagogischen Repressionspolitikers
par excellence.
Nun ist zwar das ägyptische Militär nicht zimperlich.
Aber diese proislamistische Behauptung eines "Massakers" widerspricht
den Tatsachen und ist als unredlich zurückzuweisen. Denn sie blendet die Hauptverantwortung
der Muslimbrüder für die Gewalteskalation aus: So haben die Islamisten die mehrfachen
Aufforderungen zur Räumung der die Infrastruktur gefährdenden Blockadecamps
beharrlich ignoriert und damit regelrecht um ein Eingreifen der Sicherheitskräfte
gebettelt, ja offensichtlich gezielt provoziert, um eine aggressionssteigernde
Märtyrerpropaganda anzuheizen, die bis zum Sinai, nach Israel und in die brodelnden
Anrainerstaaten ausstrahlen soll. Ebenso haben sie die mehrfachen Aufrufe der
Übergangsregierung zu Gesprächen desavouiert.
Hinzu kommt, dass die
Muslimbrüder selbst - ganz im zu erwartenden Stil von religiösen Fanatikern
- extrem gewalttätig auftreten, reihenweise Wutaufmärsche inszenieren ("Freitag
der Wut") und damit verständlichen Hass und Gegenwehr auf sich ziehen.
So wirft es schon ein bezeichnendes Licht auf die "Friedensreligion Islam",
wenn Massen von "streng gläubigen Muslimen" direkt von der Moschee
zu gewalttätigen Demonstrationen aufbrechen, bislang 40 Kirchen und mehrere
Regierungsgebäude anzünden, zahlreiche Menschen massakrieren, die sich ihren
martialischen Gewaltaufmärschen entgegenstellen und mit Schnellfeuergewehren
von Minaretten besetzter Moscheen wild um sich schießen. Wer so handelt,
büßt das Recht ein, sich über die selbst heraufbeschworenen Konsequenzen zu
beklagen.
In den arabischen Ländern treffen jetzt und für lange Zeit
unversöhnliche und nur schwer verhandelbare Gegensätze aufeinander, die auch
in Europa über einen langen Zeitraum blutig ausgetragen wurden: Gottesherrschaft
und göttliches Gesetz (Scharia) vs. Säkulare Lebensordnung und Menschenrechte.
Jeder Schritt in die richtige Richtung sollte begrüßt, die breite Ablehnung
der Muslimbruderschaft durch große Teile der ägyptischen Bevölkerung wertgeschätzt
und larmoyante Protektion der reaktionären Kräfte auf jeden Fall unterlassen
werden.
Die westlichen Überwachungsregierungen, von ihren Bevölkerungen nur noch sehr lose und in Fragen der Islampolitik überhaupt nicht mehr gestützt, tun sich keinen Gefallen, wenn sie sich jetzt als scheinheilige Schutzpatrone der Muslimbrüder aufspielen und es in ihren Ländern zulassen, das eingewanderte Unterstützer der Islamisten unbehelligt durch die Straßen ziehen.