Stellt
die steuerliche Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages eine Verletzung der gebotenen
weltanschaulichen Neutralität des Staates dar? Diese Frage sowie weitere,
die Kernbereiche der österreichischen Verfassung berühren, wird der Österreichische
Verfassungsgerichtshof (VfGH) infolge einer Beschwerde zum "Kirchenparagraphen"
des Einkommensteuergesetzes (§18 Abs.1 Z.5 EStG) beantworten müssen. Die
Beschwerde wurde am vergangenen Freitag (16.8.2013) von Eytan Reif, dem Sprecher
der "Initiative Religion ist Privatsache", gegen einen Bescheid
des unabhängigen Finanzsenats eingebracht. Den Stein des Anstoßes, der letztlich
zur Beschwerde geführt hat, bildete die Weigerung des Finanzamtes, einen im
Jahr 2011 von Reif geleisteten Mitgliedsbeitrag an die "Initiative Religion
ist Privatsache" als Sonderausgabe anzuerkennen.
Gleich mehrere
Verletzungen von Verfassungsbestimmungen, die mit der ausschließlichen steuerlichen
Begünstigung des Kirchenbeitrages einhergehen, prangert Reif in seiner Beschwerde
an: Neben der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Artikel 7 des Bundesverfassungsgesetzes)
sowie des Diskriminierungsverbots aufgrund der Weltanschauung ( Artikel 14 der
Europäischen Menschenrechtskonvention) ist die Regelung weder mit der in Österreich
gewährten Religionsfreiheit noch mit geltendem EU-Recht in Einklang zu bringen.
Detailliert geht die Beschwerde auch auf den willkürlichen Charakter der Gesetzesbestimmung
ein. Ferner wird, unter Berufung auf kirchliche Informationen, dargelegt, dass
die geleisteten Kirchenbeiträge überwiegend zur Finanzierung des kirchlichen
Verwaltungsapparats und der Seelsorge dienen; eine sachliche Rechtfertigung
für die ausschließlich weltanschaulich begründete steuerliche Privilegierung
besserverdienender Christen kann somit nicht gegeben sein.
Die Beschwerde
schließt sich somit thematisch auch die vom Rechnungshof geäußerte herbe Kritik
an den Umgang sowohl des Gesetzgebers als auch der Verwaltung mit der Absetzbarkeit
des Kirchenbeitrages nahtlos an. Das wichtigste Kontrollorgan der Republik
hat in seinem diesjährigen Bericht "Transparenz von Begünstigungen im Einkommensteuerrecht"
sowohl die Willkür als auch die mangelnden parlamentarischen Abläufe, von denen
die wiederholten Anhebungen des Kirchenbeitrags-Absetzbetrages in den Jahren
2009 und 2011 beschlossenen gekennzeichnet waren, ungewohnt scharf kritisiert.
Nachdem im Vorjahr der Verfassungsgerichtshof geurteilt hat, dass die
gesetzlich gewährte Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages primär den betroffenen
Steuerpflichtigen und nicht den Religionsgemeinschaften zugute kommt, stellt
sich für Reif nun nicht die Frage, OB der VfGH seiner Beschwerde stattgeben
wird sondern WIE er den Verfassungsbruch beseitigen wird. "Während ich
davon ausgehe, dass der VfGH diese unsachliche Privilegierung religiöser Steuerpflichtiger
beseitigen wird, ist zu befürchten, dass er eine Minimallösung suchen wird,
die den Wildwuchs der steuerlichen Sonderregelungen nur erweitern wird"
gab Reif zu bedenken und fügte hinzu, dass er der Gesetzesbestimmung, sollte
sie ersatzlos aufgehoben werden, "aus demokratiehygienischer Sicht sicher
nicht nachtrauern wird, da es ohnehin nicht dem Staat zusteht, Einzelpersonen
aufgrund ihrer -religiösen oder auch nicht-religiösen -Weltanschauung steuerlich
unterschiedlich zu behandeln". Nach Reifs Sicht ist die Beschwerde zusätzlich
dazu geeignet, einen demokratiepolitischen Beitrag zu leisten: "Es wird
-oft zu Recht -bemängelt, dass kritische Berichte des Rechnungshofes hierzulande
ignoriert werden. Die soeben eingebrachte Beschwerde liefert nun eine seltene
Gelegenheit, Erkenntnisse des Rechnungshofes gerichtlich zum Durchbruch zu verhelfen".
Von der eingebrachten Beschwerde erhofft sich Reif zusätzlich einen wichtigen Impuls zur Belebung, des politischen Diskurses: "Verfahrensbedingt musste die Beschwerde gerade jetzt, unmittelbar vor den Wahlen, eingebracht werden. Dies ist ein glücklicher Zufall. Insbesondere jene Parteien, die in ihrem Parteiprogramm auf die Trennung von Staat und Kirche pochen, sollten jetzt ihre Stimme erheben und nicht dem politischen Opportunismus verfallen. Immerhin: weit weniger als ein Drittel der Wahlberechtigten macht derzeit von der Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags Gebrauch, während die Allgemeinheit für den Steuerausfall von jährlich 120 Millionen Euro aufkommen muss".