Ethik der Laizität

In Österreich bemühen sich die Religionsgemeinschaften und die ÖVP seit Jahren, Nichtteilnehmer am Religionsunterricht durch einen staatlichen Ersatzunterricht zu bestrafen. Vereinfacht gesagt, wen der Religionsunterricht nicht interessiert und sich durch Abmeldung Freistunden verschafft, soll in einen Ethikunterricht gehen müssen. Die Wahlmöglichkeit zwischen diesem Ethikunterricht und dem Religionsunterricht wird durch die längst fast allgemein übliche Praxis, im Religionsunterricht keinerlei Leistungsansprüche zu stellen (also ohne wirkliche Prüfungen möglichst lauter Einser herzugeben) zugunsten des Religionsunterrichtes massiv beeinflusst.

Durch die Einführung des Wahlpflichtfaches "Ethik" könnte also das Ausmaß der Abmeldungen (siehe Info Nr. 265) vom Religionsunterricht reduziert werden, man ließe dann in vielen Fällen einfach den Religionsunterricht über sich ergehen, vermiede es aber, den Lehrstoff im Fach "Ethik" lernen zu müssen. Die zwei Freistunden verlöre man dadurch zwar, aber den Religionsunterricht könnte man durch Dösen, Kartenspielen oder das Abschreiben fehlender Hausübungen*) überstehen. Darauf setzen jedenfalls die Kirchen und die ÖVP. Ob dadurch allerdings bei den Zwangsteilnehmern am Religionsunterricht nicht die Entwicklung Richtung Kirchenaustritt verstärkt wird, hat man sich nicht überlegt. Denn wirklich religiös sind in der heutigen Schülerschaft höchstens ein paar mickrige Prozentelchen.
*) das war schon zu meiner Schulzeit vor 50 Jahren so üblich, E.P.

In Frankreich ist die Lage sehr viel besser, dort wurden Staat und Kirche schon 1905 getrennt, es gibt beispielsweise keinen staatlichen Religionsunterricht. Nun hat man dort im Schulbereich diese Trennung noch expliziter gestaltet, denn der jetzige Unterrichtsminister, Vincent Peilen, hat einige bedeutende Neuigkeiten eingeführt:
Von nun an soll am Eingang aller französischen Schulen die Devise der Republik zu lesen sein: "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" (Liberté, Égalité, fraternité).
Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen) von 1789 wird in jedem Klassenzimmer angebracht.
Seit der Schulbeginn 2013 hängt die "Charta der Laizität" (Charte de la laïcité) in jedem Klassenzimmer .
Ein Unterricht in laizistischer Moral (cours de morale laïque) wird 2015 eingeführt.

So sollte man sich heutzutage einen Staat im aufgeklärten Europa wünschen!

Es sollen alle glauben dürfen, was sie glauben möchten, aber das ist ebenso eine Privatsache wie die Auswahl anderer persönlicher Vorlieben, das geht den Staat nichts an. An der Religion hat der Staat nicht mitzuwirken, weder finanziell, noch organisatorisch, noch bildungsmäßig. Wer religiös ist, der ist daran selber schuld und sollte alle Folgen auf seine Kappe nehmen und selber finanzieren (ohne Steuerabschreibungen!), einschließlich der religiösen Aus- und Fortbildung, im staatlichen Bereich hat die Religion nirgendwo was zu suchen, nicht nur den Religionsunterricht, auch Kirchenaustritte haben die Kirchen im eigenen Bereich zu abzuwickeln. Und eine Kirchenbeitragspflicht sollte wirksam werden, wenn sich die Betreffenden bei Volljährigkeit schriftlich als Kirchenmitglieder registrieren lassen. Usw., das Feld des unbestellten Laizismus ist in Österreich noch riesengroß!

In Österreich fehlt eine allgemein gültige Ethik der Laizität!

Kann sich jemand vorstellen, dass im amtlichen Meldezettel ein Feld für das Eintragen der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei wäre und dass Eltern für ihre Neugeborenen Parteibücher ausstellen lassen könnten, wodurch diese Kinder als Erwachsene den Parteimitgliedsbeitrag verpflichtend zu zahlen hätten und sie den Parteiaustritt auf der Bezirkshauptmannschaft oder dem Magistrat registrieren lassen müssten?

Das wäre absolut unvorstellbar, bei der Religion ist es jedoch so! In Frankreich ist sowas gänzlich unmöglich! Dank der Trennung von Staat und Kirche!