Kirchenmitgliederschwund nicht aufzuhalten

Eine frohe Botschaft aus der Uni Münster. Dort kommt der Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack zum selben Schluss, der auf der atheisten-info-Site ständig verkündet wird: der Mitgliederrückgang der christlichen Großkirchen in Europa ist nicht zu stoppen.

Und als Gründe dafür führt Prof. Pollack genau dasselbe an, das hier dauernd zu lesen ist: steigende Bildung und der Sozialstaat machen Religionen überflüssig. Das "Opium des Volkes" wird weniger benötigt, weil die Religion als "Geist geistloser Zustände" stark sinkende Nachfrage hat und weil Religion als "Seufzer der bedrängten Kreatur" und als "Gemüt einer herzlosen Welt" durch den Sozialstaat entbehrlich gemacht wurde.

Prof. Pollack verwendet natürlich nicht diese Zitate von Karl Marx, er formulierte das in einem Vortrag am 31.10.2013 so: "Der Mitgliederschwund ist nahezu unaufhaltsam. Auch Reformsignale von Papst Franziskus und Neuerungen in den evangelischen Landeskirchen halten den Trend nicht auf." Schwerer als der Einfluss aller kirchlichen Bemühungen wiege die Entwicklung im gesellschaftlichen Kontext der Kirchen. "Das Wohlstands- und Bildungsniveau ist so hoch und die soziale Absicherung so gut, dass immer weniger Menschen die seelsorglichen und sozialen Angebote der Kirchen nachfragen."

Seit 1990 seien im Jahresschnitt 0,7% der protestantischen und 0,5 % der katholischen Kirchenmitglieder ausgetreten.
Nicht mitgerechnet hat Dr. Pollack die Verluste durch Sterbeüberschüsse infolge der Bevölkerungsalterung und den Rückgang der Tauftraditionen. Wenn man diese miteingerechnet, ist der nachprüfbare jährliche Verlust bis 2010 (von diesem Jahr liegen vollständige Mitgliederzahlen der beiden großen deutschen Kirchen vor) bei der katholischen Kirche 0,9 % und bei den Protestanten 1,05 %. 2050 würden beide Kirchen zusammen nur noch 32,2 Millionen Mitglieder haben, gegenüber 47,8 Millionen im Jahre 2010. Der Bevölkerungsanteil der Christen würde von 58 % in Jahre 2010 auf rund 37 % anno 2050 zurückgehen. Und das ist sehr niedrig gerechnet, weil die Abwendung von den großen Religionsgemeinschaften sicherlich nicht statisch bleiben, sondern eskalieren wird!

Über einen interessanten DDR-Effekt berichtet der DDR-stämmige Pollack auch:
"Außerdem ist es durch die Wiedervereinigung 1990 und durch den hohen Anteil an Konfessionslosen im Osten kein Minderheitenphänomen mehr, keiner Kirche anzugehören. Das hat viele Menschen auch im Westen zum Nachdenken gebracht, wo die Kirchenaustritte seitdem stark anstiegen."

Für die Kirchen und ihre Zukunftsbemühungen schaut es nicht gut aus:
"Solche gesellschaftlichen Prozesse, wie auch der Zuwachs an Wohlstand und individueller Freiheit, wiegen als Gründe für den Mitgliederschwund wesentlich schwerer als alle Versuche der Kirchen, mehr auf die Menschen einzugehen". Und: "Tatsächlich zeigen sich die Kirchen -von den Gemeinden bis zu den Bischöfen -längst viel offener für die moderne Gesellschaft als früher, sie gehen auf die individuellen Bedürfnisse der Menschen ein, auf ihr Bestreben nach Autonomie, Transparenz und Mitbestimmung. Der neue Papst vollzieht da etwas nach, was auf Gemeindeebene häufig schon geschieht." Aber das binde nur bereits engagierte Kirchenmitglieder stärker: "Doch zugleich lassen sich weitere Austritte damit nicht verhindern. Die Kirchen beweisen also großen Realitätssinn, wenn sie für die Zukunft vorsorgen und ihre Gemeinden zusammenlegen, Gebäude aufgeben und Einsparungen vornehmen."

In Wien bemüht sich Bischof Schönborn ja bereits in seiner Diözese ums Gesundschrumpfen der Pfarrstrukturen, derweilen funktioniert das aber noch nicht so wie geplant (siehe Info Nr. 1640). In Rom redet Papst Franz von den Armen, denen geholfen werden muss, ohne zu überreißen, dass es in den aufgeklärten Staaten längst nicht mehr um pures Elend geht, sondern um ein besseres Leben und nicht um Almosen auf Erden und ein Paradies für Tote.

Zusammenfassend: nicht antiklerikale Agitation und atheistische Propaganda sind die heutigen Feinde der Religionen, sondern Sozialstaat, Wohlstand und Bildung, die früher als "selig" deklarierten "Armen im Geiste" sind weggeschrumpft (siehe Info Nr. 1658), die bedrängte Kreatur seufzt nicht mehr zu Gott, sondern nimmt die gesellschaftlichen Angebote in Anspruch. Krankenkasse, Arbeitslosenversicherung, Unfallversicherung, Familienbeihilfe, Pensionsversicherung, Sozialhilfe haben sinnlose Bemühungen um göttliche Hilfe überflüssig gemacht und ein Mensch, der als Kind nicht religiös gehirngewaschen wurde, hat als Erwachsener keine religiösen Bedürfnisse. Und wenn manchmal doch, dann liegt der Esoterikmarkt mit seinen Angeboten vor dem lieben Jesus.
Amen.