Im Teil 3 der "Evangeliumsgaudi"
ging es um die Kapitalismuskritik von Papst Franz, die im Aufruf mündete,
die Kapitalisten sollten Gott nicht ablehnen und auf die Worte der Weisen des
Altertums hören, mit den Armen zu teilen. Den christlichen Parteien, die in
ihrer Geschichte immer nur die Interessen der herrschenden Klassen vertreten
hatten, egal ob Feudalherrn oder Kapitalisten, schickte er keine Botschaft.
Heute
soll ein anderes Thema gestreift werden: die Neuevangelisierung.
Weil
davon hat schon Papst Wojtyla auf einem europäischen Bischofssymposium im Oktober
1985 geredet, aber angefangen hat man damit immer noch nicht.
Was
schreibt Papst Franz dazu? Im Punkt 8 seines Rundschreibens "Evangelii
Gaudium" glaubt er die Grundlagen für Evangelisierungen zu wissen:
"Allein dank dieser Begegnung - oder Wiederbegegnung - mit der Liebe Gottes,
die zu einer glücklichen Freundschaft wird, werden wir von unserer abgeschotteten
Geisteshaltung und aus unserer Selbstbezogenheit erlöst. Unser volles Menschsein
erreichen wir, wenn wir mehr als nur menschlich sind, wenn wir Gott erlauben,
uns über uns selbst hinaus zu führen, damit wir zu unserem eigentlicheren Sein
gelangen. Dort liegt die Quelle der Evangelisierung. Wenn nämlich jemand
diese Liebe angenommen hat, die ihm den Sinn des Lebens zurückgibt, wie kann
er dann den Wunsch zurückhalten, sie den anderen mitzuteilen?"
Papst
Franz braucht also zuerst einmal Personal, das aus gottverliebten vollkatholischen
Menschen besteht, die den Wunsch nicht zurückhalten können, zu missionieren.
Was schon das Grundproblem beschreibt: wieviele Katholiken mit diesem Wunsch
wird es geben? Kann schon sein, dass es in ganz Österreich einige hundert bis
einige tausend Leute gibt, die bei solchen Aktionen einigemale mitmachen würden,
aber wieviele würden das als "Sinn des Lebens" sehen? Bei den Zeugen
Jehovas ist es der Sinn des Lebens, zu missionieren. Diese Christensekte hat
in Österreich nach hundertjährigem Bemühen rund 20.000 evangelisierende Mitglieder.
Das in der Bevölkerung vorhandene Potential an Gottesliebhabern mit einem nach
Verkündigung drängenden Lebenssinn wurde dadurch schon merkbar abgeschöpft
und katholische Verkünder werden wohl nicht mehr so leicht zu finden sein. Bei der
praktischen Religionsferne auch des großteils der katholischen Kirchenmitglieder
würde man aber wohl einige zehntausend Prediger brauchen, um ein präsumtives
Publikum wahrnehmbar belästigen zu können.
Wie absonderlich sich der
Papst die praktische Umsetzung vorstellt, ist in Punkt 12 zu lesen: "In
jeglicher Form von Evangelisierung liegt der Vorrang immer bei Gott, der uns
zur Mitarbeit mit ihm gerufen und uns mit der Kraft seines Geistes angespornt
hat. Die wahre Neuheit ist die, welche Gott selber geheimnisvoll hervorbringen
will, die er eingibt, die er erweckt, die er auf tausenderlei Weise lenkt und
begleitet. Im ganzen Leben der Kirche muss man immer deutlich machen, dass die
Initiative bei Gott liegt (..). Diese Überzeugung erlaubt uns, inmitten einer
so anspruchsvollen und herausfordernden Aufgabe, die unser Leben ganz und gar
vereinnahmt, die Freude zu bewahren. Sie verlangt von uns alles, aber zugleich
bietet sie uns alles."
Da wird die katholische Kirche wohl bis zum
jüngsten Tag warten können, bis Katholiken in einem wahrnehmbaren Ausmaß von
Gott zum Missionieren und Evangelisieren angespornt werden. Wenn die "Initiative
bei Gott liegt" und der kann mangels seiner Existenz diese Initiative nicht
ergreifen, was macht dann der Papst Franz?
Das genügt einstweilen
für heute, im nächsten Teil geht's dann um die konkreten Vorstellungen des Papstes
über den Ablauf von göttlichen Evangelisierungsinitiativen.