Innere Kündigung der Deutschen

Die Merkel sucht dringend ein neues Volk

U. Gellermann am 03. April 2014 auf www.rationalgalerie.de

Die angeblich seriöse Umfrage-Firma Gallup hat mal wieder ernsthaft gefragt, wie hoch die emotionale Bindung von "Mitarbeitern" an ihr jeweiliges Unternehmen ist. Sind Antworten wie "Ich liebe Herrn Zetsche, weil er einen so wunderbaren Schnurrbart hat und ich an seinem Fließband geile Autos herstellen darf" denkbar? Gibt es Irre, die behaupten am Schalter der Deutschen Bank eine tiefe emotionale Bindung an das Betrügersystem zu empfinden? Kann die schlecht bezahlte, bespitzelte und ausgequetschte Verkäuferin von Lidl eine unheimliche, perverse Neigung zu ihrem Laden empfinden? Das zumindest unterstellt Gallup und kommt trotz der Fragen aus der Anstalt zu solchen Antworten: "Mit 16 Prozent sind nur wenige aller Arbeitnehmer bereit, sich freiwillig für die Ziele ihrer Firma einzusetzen. - 67 Prozent der Deutschen machen nur Dienst nach Vorschrift. - Der Anteil der Arbeitnehmer, die innerlich gekündigt haben, liegt bei 17 Prozent."

Das Human-Kapital ist einfach nicht dankbar. Obwohl man in den letzten Jahren viele Überkapazitäten abgebaut, Arbeitnehmer auf das Feinste outgesourct und freigesetzt hat, scheinen die Verbleibenden ihr Privileg noch Arbeit zu haben, nicht recht zu würdigen. Die rund sieben Millionen, die von der staatlichen Fürsorge leben müssen, sind immer noch nicht Ansporn genug, die Entlassungsproduktivität, jenen kranken Eifer, der aus Angst entsteht, zu steigern. Denn aus der lustlosen Buchung von Belegen, dem stoischen Rühren von Beton und dem routinierten Absondern von flotten Sprüchen sollte eine hingebungsvolle Zuneigung zu jenen entstehen, die uns großzügig Arbeit geben. Arme Arbeitgeber, zahlen sie doch immer wieder Gehalt ohne entsprechende Dankbarkeit zu erzeugen.

Als ähnlich undankbar erweist sich auch der deutsche Wähler. Rackern sich doch diverse Koalitionen, uneigennützig wie sie sagen, für die Deutschen ab, doch die Wähler bleiben immer häufiger zu Hause: Rund ein Drittel geht nicht mehr zu Bundestagswahlen, bei Europawahlen sieht es noch schlimmer aus und in manchen Städten liegt der Anteil der Wähler nur noch um die 50 Prozent. Dabei nehmen die Regierenden dem gemeinen Mensch doch die Last der Entscheidung ab, wie die größte aller Merkels es so eindringlich formulierte: "Die Leute sollen uns Politiker die Politik machen lassen, weil wir so viel mehr davon verstehen". Und statt diesen Satz mit Ehrfurcht zu schlürfen, gehen immer mehr Deutsche in das Exil der inneren Kündigung und selbst jene, die noch wählen gehen, halten die Politiker mehrheitlich für arrogant, gierig und unehrlich.

Die passive Form der Kündigung schlägt in die aktive Kündigung um, wenn es um das Zeitungsabonnement geht. Seit Jahr und Tag sacken die Auflagen der Blätter. Nur zu gern wird der tiefe Fall der Leserquote mit dem Internet erklärt. Gemeint ist: Da bekommt man die selben Informationen wie in den Zeitungen billiger und bequemer. Dass es auch damit zu tun hat, dass es bei manchen Themen völlig gleich ist welches Blatt man liest, weil ohnehin überall das Gleiche zu lesen ist, will den Verlagen nicht in den hohlen Kopf. Auch dass die Damen und Herren in den Reaktionen gegen die Interessen ihrer Leser schreiben, will ihnen nicht einleuchten. Tapfer rühren sie im Ukraine-Krim-Komplex die Kriegstrommeln während nach einer N24-Emnid-Umfrage 82 Prozent der Befragten für direkte Gespräche mit Putin sind, um die Krise im Dialog zu lösen. Und nur zwei Prozent befürworten eine militärische Drohung gegen Russland. Wetten dass, wenn es eine Kündigung der öffentlich-rechtlichen Medien gäbe, jede Menge Leute bereit wären auf die Rundfunkgebühren zu verzichten?

So ist die "Innere Kündigung" zu einem Merkmal des deutschen Alltags geworden, das nur mühsam von der Äußerlichkeit des Frust-Kaufens, der Billig-Unterhaltung und des Parolen-Nachsprechens überdeckt wird. Doch auch hier weiß die schlaue Firma Gallup eine Lösung: Reduziert ein Unternehmen den Anteil seiner Beschäftigten ohne emotionale Bindung und tauscht sie gegen solche mit hoher Bindung aus, können die Humankosten deutlich reduziert werden. Na bitte, das Land braucht einfach ein neues Volk.

PS: dieser Artikel aus Deutschland beschreibt auch die Verhältnisse in Österreich und wohl ebenso die Verhältnisse in den anderen EU-Staaten: Der Endsieg des Kapitalismus ließ eben nur die Werte der Konzern- und Finanzwirtschaft übrig. Aber wenn die Herrschenden so weitermachen, werden sie es irgendwann erleben, dass die oben nicht mehr können, weil die unten nicht mehr wollen! Wie schon seinerzeit 1789 - wo es allerdings um die Aristokraten und noch nicht um die Kapitalisten ging! Ca Ira!