Freidenker-Protest an den ORF!

"Gläubige Kinder sind braver und gütiger"

Protestnote des Freidenkerbundes zum o.a. Artikel auf ORF-Online

Offener Brief an den ORF

ORF-Publikumsrat
Würzburggasse 30
A-1136 Wien

Der Freidenkerbund Österreich protestiert gegen einen Artikel in ORF-Online (http://religion.orf.at/stories/2644128/) vom 28.4. mit dem Aufmacher "Studie: Gläubige Kinder sind braver und gütiger".
Wenn die Geschichte eines gezeigt hat, dann dass die Religion nicht den „besseren“ Menschen hervorbringt. Sicher ist hingegen, dass Religion oft die Lizenz zu allen möglichen Untaten abgibt, was wir täglich in der Zeitung lesen.

Aus Absichtserklärungen von Kindern mit und ohne Taufschein eine moralische Qualifikation abzuleiten, ist schlicht unwissenschaftlich und diskreditiert den Verfasser als Büttel einer sektenartig agierenden Clique innerhalb der deutschen Kirche. Die Aussage wirkt im höchsten Maße diskriminatorisch, womit Zwietracht und Unfrieden in die Schule gesät wird. Solche Aussagen erinnern eher an rechtsradikale Hetzblätter, wo Menschen wegen ihres Glaubens als minderwertig angesehen wurden, eher als an wissenschaftlich wertvolle Publikationen. Dass die ORF Religionsabteilung solche Verunglimpfungen ungefiltert übernimmt, stellt eine neue Qualität in der Berichterstattung dieses Landes dar. Es zeigt jedenfalls, dass eine Religionsabteilung, mit einem theologischen Assistenten der Erzdiözese als Chef, die paradoxerweise auch für Atheisten zuständig ist und kein Gegengewicht im ORF hat, hochproblematisch ist.

Wir verurteilen auch die Art und Weise wie Kinder, die einen nicht selbst gewollten Taufschein haben, als religiös oder nicht religiös eingestuft werden. Würde man dies mit SPÖ- und ÖVP-Kindern machen, käme das zu Recht einem Skandal gleich. Eine solche Aussage hätte nur eine Berechtigung, wenn man die Kinder total religiös indoktriniert hat, was leider noch immer bei einer großen Zahl von konfessionellen Schulen, einem schwachen Bildungssystem und 670 verpflichtenden Religionsstunden nicht ausgeschlossen werden kann. Vielmehr sollte die Schule dazu dienen, die Kinder zu mündigen und möglichst kritischen und verantwortungsvollen Staatsbürgern heranzubilden, die am Meinungsbildungsprozess in einer offenen Gesellschaft aktiv teilnehmen und resistent gegen Populismus sind. Im Religionsunterricht ist meist das Gegenteil der Fall.

Wie weit sich die katholische Kirche mit diesem "wissenschaftlichen" Machwerk identifizieren kann, bleibt abzuwarten, sie wäre jedenfalls gut beraten, sich von derartigen Aussagen zu distanzieren.

Dr. Gerhard Engelmayer