Staatliche Kreuzespflichten

Dafür tritt der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, ein. Weil der SPD-EU-Politiker Martin Schulz hatte in einer TV-Debatte gesagt, "öffentliche Räume müssen neutral bleiben, im privaten Bereich kann jeder seine Religion ausüben".

Der Herr Glück meint dazu: "Die Forderung von Martin Schulz verstößt gegen unsere Rechtsordnung und missachtet das in Deutschland gewachsene Verhältnis von Religion und Staat".

Es gab allerdings zu den Schulkreuzen bereits 1995 eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVG):
1. Die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, verstößt gegen Art. 4 Abs. 1 GG.
2. § 13 Abs. 1 Satz 3 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern ist mit Art. 4 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig.

Die CSU änderte danach die Rechtsvorschrift für den Unterricht ab, im Artikel 7 heißt es nun im Abschnitt 4: "Angesichts der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns wird in jedem Klassenraum ein Kreuz angebracht. Damit kommt der Wille zum Ausdruck, die obersten Bildungsziele der Verfassung auf der Grundlage christlicher und abendländischer Werte unter Wahrung der Glaubensfreiheit zu verwirklichen. Wird der Anbringung des Kreuzes aus ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung durch die Erziehungsberechtigten widersprochen, versucht die Schulleiterin bzw. der Schulleiter eine gütliche Einigung. Gelingt eine Einigung nicht, hat sie bzw. er nach Unterrichtung des Schulamts für den Einzelfall eine Regelung zu treffen, welche die Glaubensfreiheit des Widersprechenden achtet und die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen aller in der Klasse Betroffenen zu einem gerechten Ausgleich bringt; dabei ist auch der Wille der Mehrheit, soweit möglich, zu berücksichtigen."

Damit wurde das BVG-Urteil praktisch ausgehebelt. Klagen gegen den obigen Artikel 7 wurden 1997 vom bayrischen Verfassungsgerichtshof zurückgewiesen, weil im Gesetz eine Konfliktlösungsmöglichkeit vorgesehen sei, der BVG traute sich offenbar danach nicht mehr, zu seiner Entscheidung von 1995 zu stehen: Klagen gegen die Entscheidung des bayrischen VG wurden nicht zugelassen.

Martin Schulz will nach der EU-Wahl am 25. Mai 2014 für das Amt des Kommissionspräsidenten kandidieren. Es überrascht und muss darum gewürdigt werden, dass sich ein Sozialdemokrat traut, öffentlich für den säkularen Staat und für eine Trennung von Staat und Kirche einzutreten. Weil Politiker sind weit überwiegend immer noch von der Mitgliederzahl der Kirchen beeindruckt und nicht vom Alltagsdenken der Menschen, das sich mit Sicherheit höchst selten um Christenkreuze dreht.

Alois Glück hingegen sieht sein Glück im staatlich manifesten Christentum: "Religion ist aber keine Privatsache. Wir haben in Deutschland einen anderen Weg des Miteinanders von Religion und Staat entwickelt, das den nötigen Raum lässt für die historisch gewachsene, gegenüber der Religion wohlwollende, fördernde Neutralität. Schon das Grundgesetz nimmt in seiner Präambel ausdrücklich Bezug auf unsere Verantwortung vor Gott."

Die Verantwortung vor Gott ist das Billigste, das man verkaufen kann. Darum machen christliche Politiker ständig Politik für Banken, Konzerne, Reiche und Superreiche, weil das können sie verantworten: vor Gott und vor dem eigenen Bankkonto. Und Religion ist trotz des Herrn Glück keine Staatsbürgerpflicht, sondern ein privates Leiden.

PS: über den Gottesbezug im deutschen Grundgesetz diskutiert man ja zurzeit wieder. Weil es kann doch wohl nicht sein, dass sich eine Verfassung auf eine "Verantwortung vor Gott " beruft und gleichzeitig die Religionsfreiheit garantiert. Da liegt die weltanschauliche Neutralität des Staates ja schon neben dem Grundgesetz.