Die Geh-hin-Kirche...

...forderte am 30. Mai 2014 der Innsbrucker Pastoraltheologe Christian Bauer auf dem Mariazeller Kongress katholischer Pfarrgemeinderäte. Weil die katholische Kirche wird "kleiner, bunter und weniger klerikal", aber "jesuanischer, urchristlicher und konzilsgemäßer" werden. Der Trend zeige eine Entwicklung von der bisherigen "Komm-her-Kirche" zur "Geh-hin-Kirche" der Zukunft. Denn in zwanzig Jahren wird der Katholikenanteil an der österreichischen Bevölkerung unter 50 % liegen.

Da kann der Pastoraltheologe beruhigt werden, das wird nicht bis 2034 dauern, denn in den letzten zwölf Jahren ist dieser Anteil um elf Prozent zurückgegangen und der Rückgang wird sich beschleunigen und nicht verzögern. Die katholische Kirche hat zurzeit 62,4 % Anteil, unter 50 Prozent zu fallen, das wird sich bis Anfang der Zwanzigerjahre ziemlch sicher ausgehen!

Zum Mitgliederrückgang stellt Bauer ganz richtig fest, dass daran "weder eine Pfarrerinitiative noch eine Neuevangelisierung etwas ändern können". Er sieht das positiv, denn der Verlust der gesellschaftlichen Vorrangstellung bringe den "Gewinn der Freiheit der Kinder". Ja, da hat er auch recht! Weil wenn die katholische Religion keine gesellschaftliche Quasipflicht mehr ist und Katholiken nicht mehr deswegen katholisch sind, weil das so der Brauch ist, sondern weil sie tatsächlich an die katholischen Götter glauben, dann ist das die Ausbildung einer wahrhaften und wirklichen Religionsfreiheit: nur der Glaube oder der Nichtglaube entscheidet dann über die Religionen!

Allerdings der darauf folgende pastoraltheologische Optimismus bleibt für unsereinen nicht nachvollziehbar.
Er rechnet nämlich mit der Überwindung der innerkirchlichen Lagerkämpfe und dass durch den Priestermangel "immer mehr Christen ihre Charismen entdecken und in Eigenverantwortung leben". Es müsse zuerst um das Reich Gottes und nicht um die Stellung innerhalb der Hierarchie der Kirche gehen.

Dann träumt er weiter, wie dem kathpress-Bericht darüber zu entnehmen ist: Theologisch gesehen würden diese soziologischen Entwicklungen dazu führen, dass die Kirche der Zukunft "näher am Evangelium sein wird". Im Idealfall werde die Kirche künftig "jesuanischer, urchristlicher und konzilsgemäßer". Entscheidend bleibe dabei bei jedem Christen die "lebendige Erinnerung an die persönlich erfahrene Berufung, Jesus zu folgen". Urchristlicher werde Kirche deswegen sein, weil sie künftig aus einem weiten Netz von "Hausgemeinden mit umherziehenden Wanderprediger" bestehen werde. Es brauche nach wie vor "Orte der Sammlung", aber noch mehr das Hinausgehen und Hineinwirken in die Gesellschaft.

Die Ratschläge wie sich so etwas herausbilden könne, sind wenig überzeugend, zusammenfassend meint Bauer die Kirche müsse wieder lernen, "draußen zu Hause" zu sein. Woher die Hausgemeinden und die Wanderprediger kommen sollen, spricht er nicht an. Das schlussfolgert er wohl aus der These, dass in der kommenden Zeit die katholischen Christen aus Überzeugung katholische Christen sein werden und nicht deswegen Kirchenmitglieder, weil sie katholisch getauft wurden. Offenbar überschätzt der Pastoraltheologe völlig das Bedürfnis der Menschen, die katholische Religion für irgendwas zu benötigen.

Das Schrumpfen der katholischen Kirche wird auch bei fünfzig Prozent nicht aufhören und die praktizierenden Katholiken werden weiter schrumpfen, Menschen, die den katholischen Glauben aus freien Stücken und selbsterworbener Überzeugung aktiv ausüben, werden sektenhaften Charakter haben, sowohl im praktischen Verhalten als auch in der Stückzahl. Wenn die Entwicklung so weitergeht wie in den letzten Jahren, wird in hundert Jahren in Österreich die katholische Kirche auf einige Zehntausend gesunken sein. Daran wird sich nichts ändern, egal ob die Kirche nun meint, es ginge ums Komm-her oder ums Geh-hin, weder das eine noch das andere wird mangels Nachfrage eine nennenswerte Rolle spielen. Eine gute Aussicht!