Grüne Parlamentsanfrage in Sachen Erdogan

Anfrage GZ 1782/J vom 16.06.2014 (XXV.GP) der Abgeordneten Peter Pilz, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Erdogan Auftritt in Wien

BEGRÜNDUNG

"An das arrogante Ausland: wir sind nicht mehr die Türkei von gestern!"
"Türkei wird das Gegengift gegen den Rassismus in Europa sein"
"Aber wenn wir Assimilationen sagen ... Assimilation-nein. Ich hatte das bereits gesagt und werde das Gleiche jetzt sagen. Denn wir können keine Zugeständnisse machen von unserer Sprache und unserer Kultur"
"Die Deutschen haben gesagt, 'sie trägt ein Kopftuch'. Sie haben gesagt, 'er hat einen Bart'. Er betet. Sie haben uns für nichts gehalten. [.] 'Du bist ein Arbeiter', haben sie gesagt. 'Bleibe ein Arbeiter', haben sie gesagt. 'Du bist arm - bleib immer arm', haben sie gesagt."
"Die [Oppositionellen] versuchen, dunkle Propaganda gegen uns zu betreiben indem Sie uns vorwerfen, dass hier keine Pressefreiheit herrschen würde. "
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der Wahlkampfrede des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Köln. Es ist ein Ausschnitt dessen, was zu erwarten ist, wenn er am 19. und 20. Juni 2014 nach Wien kommt um hier aufzutreten.

Erdogan ist dafür bekannt in seinen Reden gegen demokratische Oppositionelle, unabhängige Medien und andere Kritiker seiner Politik zu hetzen. Während er für sich Rede- und Versammlungsfreiheit in Anspruch nimmt, sorgt er dafür, dass in der Türkei eben diese Rede- und Versammlungsfreiheit immer weiter beschnitten wird. So hat er die Demonstrationen und Versammlungen der Demokratiebewegung im Gezi Park blutig niederschlagen lassen, Sperren von Twitter und Youtube veranlasst und zahlreiche regierungskritische Journalistinnen und Juristinnen verhaften lassen. Erst jüngst wiederfuhr das einem CNN-Reporter, der an lässlich des Jahrestags der Gezi Proteste berichten wollte. Erdogan bezeichnete ihn als "Agenten" und "Kriecher" und ließ ihn verhaften. Erdogan prangert Rassismus in Europa an, macht jedoch gleichzeitig gezielt Stimmung gegen Andersdenkende, Oppositionelle und auch Andersgläubige. Sein Stellvertreter behauptete z.B. "die Juden" seien schuld an den Protesten. In einer Rede vor der Parlamentsfraktion bezeichnete Erdogan den deutschen Politiker Cem Özdemir aufgrund seiner Kritik an ihm als "sogenannten Türken".

Jetzt versucht Erdogan die türkischen Staatsbürgerinnen, die im europäischen Ausland leben, für die nächsten Parlamentswahlen für sich zu gewinnen. Dazu führt er Großveranstaltungen in Städten der EU durch. Eines seiner nächsten Ziele ist Wien.

Die Stadt Wien soll nicht als eine Plattform für Erdogans nationalistische Wahlkampfreden missbraucht werden. Nationalistische Parolen wie man sie in Köln gehört hat und welche die hier lebende Bevölkerung absichtlich in "wir" und "ihr" spalten, gefährden das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung.
Sie tragen zudem Konflikte der Türkei gezielt in andere Staaten, um bei der türkischen Wahl zusätzliche Stimmen zu gewinnen.

Der Ministerpräsident eines fremden Staates hat damit vor, seinen geplanten privaten Aufenthalt in Österreich gezielt zur politischen Verhetzung von hier lebenden türkischen Staatsbürgerinnen zu nützen. Dieses Vorhaben ist nicht nur geeignet, die Ordnung und Sicherheit der Republik zu beeinträchtigen, sondern wirft auch heikle völkerrechtliche Fragen im Zusammenhang mit diplomatischem Verkehr und der österreichischen Souveränität auf.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende ANFRAGE

1) Von wem, in welcher Form und wann wurden Sie über den bevorstehenden Besuch von Recep Tayyip Erdogan in Wien informiert?
2) Handelt es sich bei dem geplanten Besuch um eine Reise in offizieller Funktion als Amtsträger der Türkei oder liegt ausschließlich efne Privatreise vor?
3) Kommt es im Zuge des Besuchs zu Kontakten mit Funktionsträgern der Republik Österreich, und falls mit wem und wann?
4) Was haben Sie bisher in dieser Sache unternommen?
5) Ist es für den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan zulässig in Österreich politische Wahlkampfreden abzuhalten?
6) Falls ja, wie weit geht dieses Recht - ist zB auch des Plakatieren von türkischen Wahlplakaten in Österreich zulässig?
7) Entspricht ein Wahlkampfauftritt des Regierungschefs eines fremden Staates den diplomatischen Gepflogenheiten zwischen den Staaten?
8) Inwiefern ist es für die Beurteilung der Situation von Bedeutung, dass seitens Recep Tayyipp Erdogans bei früheren Auftritten Aussagen getätigt wurden, die als Beschimpfung des Auftrittsstaates und als Aufruf gegen Integration verstanden werden können?
9) Welche völkerrechtlichen und diplomatischen Möglichkeiten stehen Ihnen als Außenminister zur Verfügung, um das Missfallen über eine derartige Vorgehensweise auszudrücken bzw. einen derartigen Auftritt in Österreich zu verhindern?
10) Haben Sie von diesen Maßnahmen bereits Gebrauch gemacht, wenn ja in welcher Art und Weise und wenn nein warum nicht?
11)Wie beurteilen Sie die konkrete Gefahrenlage hinsichtlich der Gefährdung des öffentlichen Wohls bzw. der öffentlichen Sicherheit bei einer solchen Veranstaltung, insbesondere auch im Hinblick auf mögliche Gegendemonstrationen ?
12)Werden seitens der Türkei auch Sicherheitskräfte zur Begleitung von Recep Erdogan entsandt, werden diese bewaffnet sein und auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt deren Tätigkeit in Österreich, insbesondere wenn es sich um einen Privatbesuch handeln sollte?
13)Werden Sie mit dem türkischen Botschafter, dem türkischen Außenminister und dem türkischen Ministerpräsidenten in Kontakt treten, um ihnen mitzuteilen, dass Auftritte dieser Art in Österreich unerwünscht sind?
14) Falls nein, weshalb nicht?