Vor 100 Jahren starb Papst Pius X.

Am 20. August 1914 starb Papst Pius X. Über ihn erschien am 20.8.2014 im "Spiegel" ein längerer Artikel.

Zwei bezeichnende Absätze daraus:
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges lagen die Sympathien des Papstes auf Seiten der Doppelmonarchie und seines kirchentreuen Monarchen. Dem Kardinalstaatssekretär soll er anvertraut haben: "Auf Kaiser Franz Joseph, der sein ganzes Leben lang dem Heiligen Stuhl gegenüber loyal und treu ergeben war und der derzeit einen gerechten Krieg führt, kann ich keinen Druck ausüben." Der bayerische Geschäftsträger am Heiligen Stuhl hatte schon am 26. Juli 1914 nach München telegraphiert: "Der Papst billigt ein scharfes Vorgehen Österreichs gegen Serbien." Wenngleich die Österreicher nie von der Notiz Kenntnis erhielten, gibt sie Aufschluss über die Gedankenwelt Pius' X.
In einem Gesprächsprotokoll des österreichischen Gesandten mit dem Kardinalsstaatssekretär vom 27. Juli hieß es fast gleichlautend: "Im Verlaufe der letzten Jahre hat Seine Heiligkeit mehrmals das Bedauern geäußert, dass Österreich-Ungarn es unterlassen habe, seinen gefährlichen Nachbarn an der Donau zu 'züchtigen'". Noch am Todestag des Papstes hatte der Vatikan diese Meldung als "tendenziös" dementieren lassen. Allerdings hatte auch der russische Gesandte im Vatikan zur gleichen Zeit an seinen Außenminister telegrafiert, dass Pius X. in Österreich-Ungarn den letzten "Hort des Katholizismus" sehe und deshalb auf dessen Seite stehe.

Soweit aus dem "Spiegel". Dass der "Hort des Katholizismus" 1918 unterging, erfuhr Pius X. somit nicht mehr. Das Ende der Großmacht Österreich-Ungarn war auch das Ende des Habsburgerreiches, das mit Ausnahme des Aufklärers Joseph II. von strengkatholischen Herrschern als dieser Hort des Katholizismus erhalten wurde.

Hundert Jahre später ist der ehemalige Katholikenhort weit in den Säkularismus vorgedrungen. Es sind nur noch etwas über 62 Prozent der Bevölkerung Mitglieder der katholischen Kirche. Sicherlich immer noch eine große Anzahl, aber sich dem Herrschaftsterror dieser Kirche zu entziehen, ging nicht schnell. Seinerzeit in der Gegenreformation wurden die Österreicher wieder "katholisch gemacht" und die sich nicht katholisch machen ließen, wurden aus dem Land vertrieben. Das Pflichtkatholische war daher fest im Volke verwurzelt, auszutreten oder gar die Kinder nicht taufen zu lassen, war faktisch eine Heldentat. Ja, in den dörflichen Gemeinschaften bedurfte es schon einer gewissen Beherztheit, sonntags nicht zur Kirche zu gehen.

Bis 1981 ist durch Bevölkerungsvermehrung und Zuzug die Zahl der Katholiken in Österreich sogar noch gestiegen, die Höchstzahl war 6.372.645. Seither ist der Mitgliederbestand um mehr als eine Million gesunken, von 1995 bis 2013 sind 860.949 ausgetreten. Wenn der Austritt in diesem Schnitt weitergeht, hat die katholische Kirche 2114 noch knapp 800.000 Mitglieder. Dass jedoch der Mitgliedernachwuchs (Täuflinge) zunehmend weniger werden und der Sterbeüberschuss massiv wachsen wird, lässt für die nächsten hundert Jahre ein noch essentielleres Dahinschwinden der römisch-katholischen Kirche erwarten, die jahrhundertelang ihre Macht und Herrlichkeit gegen die österreichische Bevölkerung ausüben konnte.

Papst Pius X. wurde 1954 heiliggesprochen, er hatte 1910 den für alle Kleriker verpflichtenden Antimodernisteneid eingeführte, dieser wurde erst 1967 abgeschafft und hat längerfristig mitgeholfen, dem Volk einen Vorsprung vor der Kirche zu geben. Die katholische Kirche ist immer noch nicht wirklich in der Moderne angekommen, die Kirchenmitglieder leben also schon längere Zeit in einer anderen Welt und sehen in kirchlichen Positionen weit überwiegend nichts mehr, das mit ihrem wirklichen Leben was zu tun hat.

Der heilige Pius X. hat daher auch für den Säkularismus in Österreich allerhand geleistet. Er sei dafür zu seinem hundersten Todestag gelobt, lieber Pius Nummer 10, das hast Du gut gemacht!