Schon wieder: Existenz Gottes mathematisch bewiesen

Die Gödel-Gottesbeweis-Geschichte von 2013 fand in der "Zeit" vom 22.8.2014 seine Wiederkehr, Christian Hesse schrieb dazu:

"(..) Gödels logische Konstruktion Gottes besteht aus drei Definitionen, fünf Axiomen und vier Theoremen. Gleich in der ersten Definition teilt er uns mit, wie er sich Gott denkt. Definitionen sind Begriffsfestlegungen, Axiome sind die Voraussetzungen des Beweisganges, die ohne Begründung als wahr angenommen werden. Theoreme sind aufgrund der Axiome und mittels gültiger logischer Schlüsse erhaltene wahre Aussagen. Hier ist Gödels Beweis in versprachlichter Form.

Haben Sie Lust, ihn nachzuvollziehen?"
Natürlich will unsereiner das nachvollziehen!

Definition 1: Ein Wesen ist göttlich, wenn es alle positiven Eigenschaften besitzt.
Frage: Wer definiert was eine positive und was eine negative Eigenschaft ist?
Definition 2: Eine Eigenschaft eines Wesens heißt wesentlich, wenn alle weiteren Eigenschaften dieses Wesens daraus notwendig folgen.
Frage: Gibt es solche Eigenschaften von der sich alle weiteren Eigenschaften ableiten lassen? Wenn ein Lebewesen die Eigenschaft hat, ein Mensch zu sein, welche Eigenschaften folgen daraus notwendigerweise? Sicherlich nicht alle weiteren! Ist daher die Eigenschaft ein Mensch zu sein, keine wesentliche Eigenschaft?

Definition 3: Ein Wesen existiert notwendig, wenn alle seine wesentlichen Eigenschaften notwendig sind.
Axiom 1: Jede Eigenschaft ist entweder positiv oder nicht positiv.
Axiom 2: Was notwendig eine positive Eigenschaft enthält, ist selber positiv.
Frage: Die Definition 3 ist willkürlich, wie sich aus der Frage zur Definition 2 ergibt. Zum Axiom 1: wer bewertet die Eigenschaften nach positiv oder negativ? Axiom 2: Um ein Mensch zu sein, braucht man notwendigerweise die entsprechenden Eigenschaften, sagt das etwas darüber aus, welche Eigenschaften positiv oder negativ sind?

Theorem 1: Ist eine Eigenschaft positiv, so ist es möglich, dass es etwas gibt, das diese Eigenschaft besitzt.
Frage: Und wenn eine Eigenschaft negativ ist, ist es dann nicht möglich, dass es etwas gibt, dass diese Eigenschaft besitzt? Und zum dritten Mal: wer bewertet die Eigenschaften mit plus und minus?

Axiom 3: Göttlichkeit ist eine positive Eigenschaft.
Frage: Ist Göttlichkeit ist eine Eigenschaft? Oder doch nur eine Hypothese?

Theorem 2: In einer möglichen Welt ist ein göttliches Wesen logisch möglich.
Frage: Wie leitet sich das Theorem aus den Axiomen ab? Ein Axiom ist ein grundlegender Leitsatz, der keines Beweises bedarf, bzw. ein einleuchtendes nicht beweisbares Grundgesetz. Welche dieser Definitionen trifft auf die obigen Axiome zu? Offensichtliche keine, oder?

Axiom 4: Jede positive Eigenschaft ist notwendig positiv. (Dies bedeutet, dass Notwendigkeit in der Positivität einer Eigenschaft enthalten ist. Somit ist Notwendigkeit selbst eine positive Eigenschaft.)
Frage zum vierten Mal: wer definiert positiv und negativ? Und was passiert bei einem Umschlag der Gegensätze? Etwa bei einer Atomexplosion?

Theorem 3: Wenn ein Wesen göttlich ist, dann ist seine Göttlichkeit eine wesentliche Eigenschaft. (Daraus folgt, dass es höchstens ein göttliches Wesen geben kann.)
Axiom 5: Die Eigenschaft der notwendigen Existenz ist positiv.
Frage zum fünften Mal, wer wertet? Hatten Saurier eine notwendige positive Existenz? Hat der Aids-Virus eine solche? Von der Saurier- bzw. Virus-Warte aus ja, von anderen Mitbewohnern der Erde: nein, oder? Da Saurier und der Aids-Virus existier(t)en, waren diese Existenzen evolutionär wohl nicht vermeidbar. Zusatzfrage: ist Unvermeidbares notwendig? Wenn nein, warum nicht?

Theorem 4: Wenn die Existenz eines göttlichen Wesens logisch möglich ist, dann ist sie notwendig. (Da wir die logische Möglichkeit der Göttlichkeit bereits in Theorem 2 festgestellt haben, folgt nun, dass genau ein göttliches Wesen notwendig existiert.)
Frage: wenn man die vorgesetzten Axiome als nicht bewiesen sieht, sind auch alle Ableitungen davon sinnlos. Beruht die Existenz eines alleinigen Gott darum nicht bloß auf Axiomen, die keine Axiome sind, sondern maximal unbeweisbare Hypothesen?

Abschließende Antwort (nicht von Gödel und nicht von Hesse): Hypothesen kann man als Meinung, als Annahme, als Behauptung, als Vermutung bezeichnen. Beweisen lässt sich mit Hypothesen gar nichts, weder positiv, noch negativ...

Und hatte nicht Gödel mit seinen Unvollständigkeitssätzen seinen Gottesbeweis selber schon widerlegt?
1. Jedes hinreichend mächtige, rekursiv aufzählbare formale System ist entweder widersprüchlich oder unvollständig.
2. Jedes hinreichend mächtige konsistente formale System kann die eigene Konsistenz nicht beweisen.
Schlussmeldung dazu: "Amen" als Synonym für "so ist es"!