Spekulationen über Weltbevölkerungs-Zunahme

Publiziert von Wilfried Müller am 19.9.2014 auf www.wissenbloggt.de

Zum Jahresbeginn versuchte wissenbloggt eine Bestandsaufnahme, siehe 7,2 Milliarden Menschen erreicht. Da zeigte sich, dass die aktuelle Zahl der Menschen höchstens auf +-25 Millionen ermittelbar ist. Für die erreichbare Zahl gibt es nur Schätzungen, die auf Extrapolationen und  Simulationen beruhen.

So eine Schätzung hat die UN am 18.9. abgeliefert, World population stabilization unlikely this century. Die Wissenschaftler glauben nicht, dass die Weltbevölkerung in diesem Jahrhundert auf einer stabilen Zahl verharrt. Sie vermuten, dass eher die obere Kurve von den Alternativen realistisch ist. Aus dem abstract des Science-Artikels:

Die Daten bis 2012 ergeben zusammen mit der statistischen Methode der "probabilistischen Bevölkerungsmodelle" eine größere Zunahme als bisher erwartet. Mit 80% Wahrscheinlichkeit und höherer Genauigkeit der Berechnungen als bisher wird die Weltbevölkerung bis 2100 die Zahl von 9,6 bis 12,3 Milliarden erreichen. Die größte Zunahme wird in Afrika erwartet, namentlich in Nigeria, wo die Geburtenraten hoch sind und die Empfängnisverhütung im Runterfahren. In allen Ländern steht die "Vergreisung" bevor, wie sie Deutschland jetzt schon erlebt, auch in denen, die derzeit noch junge Bevölkerungen haben.

Anmerkung wissenbloggt: Natürlich sind das demografische Daten, die nur einen Teil der menschlichen Aktivitäten berücksichtigen. Bei den Prognosen für Deutschland haben die Demografen schon oft danebengelegen und Anlass gegeben zu der populistischen Parole "Deutschland stirbt aus". Das zunehmende Sterbealter wurde nicht berücksichtigt, die Zuwanderung wurde vernachlässigt, und selbst das Reproduktionsverhalten wurde falsch eingeschätzt (40-jährige sind doch noch beim Kinderkriegen dabei).

Die Zahlen sind also mit Vorsicht zu genießen, weil ja auch Naturkatastrophen, Kriege und Seuchen mitspielen (die Aids-Epedemie ist aber mit eingerechnet), sowie willentlich angeheiztes Kinderkriegen, die sogenannte "Bevölkerungswaffe", Beispiele Kosovo, Libanon, Bermuda, siehe auch Die Übervölkerung.

Bildung und Emanzipation sind auch wichtige Einflussgrößen, während die Religion nicht mehr die große Rolle spielt, selbst die Geburtenrate vom Iran geht steil abwärts. Und ob atheistische Tendenzen eine Wirkung entfalten, wie behauptet in  Religiöse Spezialität: Kinderkriegen? Man weiß es immer erst genau, wenn's soweit ist. Da können die Bevölkerungsmodelle so probabilistisch (zufallsberücksichtigend) sein wie sie mögen. Letztlich verlegen sie ja nur das Raten auf eine andere Ebene, wie alle solchen Computermodelle. 

Die Süddeutsche Zeitung nimmt das Thema auf in Bevölkerungswachstum – Zwölf Milliarden Menschen? Keine Panik! (19.9.): Eine Studie der UN warnt davor, dass die Weltbevölkerung noch bis ins 22. Jahrhundert anwachsen könnte, mit verheerenden Folgen. Es gibt allerdings gute Gründe, die Zukunft optimistischer zu sehen.

Aus dem Inhalt:
Die Demografen vertreten mehrheitlich die Ansicht, die Weltbevölkerung entwickele sich noch auf den Höchststand zu (wenn auch nicht mehr ganz so schnell), und auf lange Sicht werde die Zahl der Erdbewohner wieder sinken. Wann aber das Bevölkerungsmaximum erreicht wird, ist ungewiss. Die Forschergruppe der Vereinten Nationen in New York möchte das Maximum mit neuen Berechnungen auf 2100 verschieben, erst danach käme es zu einer Stabilisierung.

Europas Bevölkrung schrumpfe bereits jetzt, die 5 Milliarden in Asien tun es voraussichtlich ab 2050, aber die jetzige Bevölkerungsmilliarde in Afrika werde voraussichtlich zu 4 oder sogar 5-6 Milliarden., und das sei der Hauptgrund für die weitere Zunahme.

Die SZ berichtet über Skepsis, die den neuen Vorhersagen entgegengebracht wird. Andere Forscher kriegen andere Zahlen raus, z.B. einen Höchststand von 9,4 Milliarden im Jahr 2070, und nur noch 9 Milliarden 2100. Diese konkurrierende Studie "World Population and Global Human Capital in the 21st Century" habe statt auf Computerpower zu setzen mehr als 550 Fachleute befragt und ihre Landeskenntnisse berücksichtigt. 

Das ändert natürlich nichts an der spekulativen Natur der Voraussage (wb). Egal wie viele Bestimmungsgrößen man berücksichtigt, es bleiben immer welche unbeachtet. Die UN-Forscher ließen laut SZ den Einfluss wachsender Bildung auf Geburtenrate und Sterblichkeit außer acht, und dabei hätten Untersuchungen gezeigt, wie stark Schulbildung die Kinderzahl beeinflusst.

So kommt es zu verschiedenen Prognosen für Nigeria zwischen 1/2 und 1 Milliarde (jetzt 160 Millionen), wobei die Datenlage allerdings genauso "verheerend" sei wie die Reproduktionslage. Der SZ-Artikel kommt abschließend auf das Thema der Sekundärwirkungen, unberücksichtigt blieben sämtliche Folgen der Überbevölkerung, z. B. Abwanderungen in andere Länder, Kriege um knappe Ressourcen oder gezielte staatliche Eingriffe wie die von China praktizierte Ein-Kind-Politik.

Der Ausblick besagt dann, die Studie habe politische Implikationen, denn in den afrikanischen Staaten mit besonders hoher Geburtenrate müsse mehr als bisher in Bildung und Aufklärungskampagnen investiert werden. In Folge der Überbevölkerung drohten sonst wachsende Probleme durch Ressourcenmangel, Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit, Krankheiten und Kriminalität.

Naja, dazu kommt es wohl so oder so, inclusive überbordender Migration, wenn diese Prognose von wb erlaubt ist. Wir vervollständigen die Zeitreihe aus dem 7,2 Milliarden Menschen erreicht-Artikel per probabilistischer Daumenpeilung:
vor 10.000 Jahren ca. 5 Millionen Menschen
Jahr 0 ca. 300 Millionen Menschen
1500 ca. 500 Millionen Menschen
1804 1 Milliarde Menschen
1928 2 Milliarden Menschen
3 Milliarden Menschen
1975 4 Milliarden Menschen
1987 5 Milliarden Menschen
1999 6 Milliarden Menschen
2011 7 Milliarden Menschen
2014 7,2 Milliarden Menschen
2050 9 Milliarden Menschen
2100 11 Milliarden Menschen
Danach brauchen wir dann keine Sintflut mehr, weil schon die Menschenflut da ist.