Dieser konstruktive Vorschlag
stand am 21.9. in der "Welt": "Die Kirchenaustritte nehmen
zu. Auch weil viele merken, dass auch auf Kapitalerträge Kirchensteuer
fällig wird. Soll man diese abschaffen? Matthias Kamann und Matthias Matussek
streiten."
Der Protestant Kamann legt los mit "Ich weine diesen
Leuten keine Träne nach. Kirche ist Gemeinde, und die beruht auch auf finanziellen
Gaben. Wer sich daran nicht beteiligen will, soll halt gehen." Der Katholik Matussek meint: "Kirchensteuer,
das ist moderner Ablasshandel. Das ist - zumindest bei uns Katholiken - Sakramente
nur gegen Vorkasse. Das halte ich für Perversion."
Und
Matussek, der ja als besonders eifriger Katholik bekannt ist, will deshalb gleich reinen
Tisch machen: "Das Gemeindeleben. Die Leute werden aktiver, engagierter,
sie wollen ihre Kirche erhalten und ihren Pfarrer. Überall in der Welt
funktioniert das - nur bei uns soll das nicht gehen? Nur wir brauchen Wohlfahrts-
und Kirchenbürokratien, die dann alberne Kirchentage veranstalten? Ich
habe auf Lesungen viele Pfarreien kennengelernt. Und die meisten Priester
geben mir recht: Schlanker ist besser. Warum müssen Kirchen Krankenhäuser
unterhalten oder Schulen? Genügt es nicht, wenn sich die Seelsorger auf
das besinnen, was sie am besten können: sich um Seelen sorgen?"
Ja,
das ist eine sehr gute Idee! Das wäre wunderbar! Weg mit allen Einrichtungen,
die zwar von den Kirchen kommandiert, aber mit fremden Geldern finanziert werden!
Macht schlanke Kirchen für die Leute, die noch das Opium des Volkes brauchen,
finanzieren sollen das ausschließlich die tatsächlich daran Beteiligten
und alle anderen lasst in Frieden!
Aber der Protestant kennt sich
besser aus, er belehrt den Katholiken: "Ihre Kenntnisfreiheit bei Kirchentagen
überrascht mich nicht, wohl aber Ihre Ahnungslosigkeit bei der Finanzierung
kirchlicher Kliniken und Schulen. Da kommt das Geld nur zum kleinen Teil aus
Kirchensteuern, zum allergrößten aus den gesetzlichen Sozialkassen
beziehungsweise Staatszuschüssen und Elternbeiträgen. Die Kirchensteuern
fließen überwiegend in genau Ihre Seelsorge. Und fleißig
gespendet wird in beiden Konfessionen doch noch obendrauf."
Oh
Teufel, da wird sich die Seelsorge für'n Matussek schwer finanzieren lassen,
wenn nicht auch Millionen von eigentlich religiös Desinteressierten mitzahlen
(müssen), aber er verkündet einen recht realistischen Schlusssatz:
"Die Kirchensteuer wird abgeschafft werden, schon weil die kirchentreuen
Alten aussterben und die Jungen nicht mehr eintreten. Das religiöse
Leben wird sich ganz neu organisieren - und das ist auch gut so! Amen."
Ja,
amen, so soll es und wird es sein! Die Finanzierung der Seelsorge ist dann die
Sorge der Betroffenen und keine öffentlich-rechtliche Angelegenheit mehr!
Es wird vermutlich noch einige Jahrzehnte dauern bis das europaweit durchgesetzt
ist, aber der Weg in die Obsoleszenz haben die christlichen Kirchen bereits
angetreten, es ist keine geplante Obsoleszenz wie bei Waschmaschinen oder Fernsehern,
sondern eine systemimmanente. Die religiöse Lehre läuft schon längst
am wirklichen Leben vorbei, die Christenlehre ist heute so aktuell wie es Hollerithmaschinen
und CB-Funk im Zeitalter des Smartphones sind.