Darf in einer öffentlichen Schule der Musikunterricht missbraucht
werden, um die katholischen Schüler monatelang auf das Sakrament der Erstkommunion
vorzubereiten während nichtkatholische Schüler ausgegrenzt werden?
Sind öffentliche Schulen in Niederösterreich – und somit auch das
Lehrpersonal sowie der Landesschulrat – der weltanschaulich neutralen Bildung
verpflichtet oder dürfen sie auch im Sachunterricht eine religiös
motivierte „innere Differenzierung“ vornehmen? Mit diesen Fragen wird sich
demnächst der Österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) befassen
müssen, nachdem eine entsprechende Beschwerde eingebracht wurde.
Zur
Erinnerung: nachdem in der Volksschule Atzenbrugg-Heiligeneich (Bez. Tulln)
Schuldirektorin und zugleich Musiklehrerin Doris Jaksch seit Jänner 2014
mehrmals den Musikunterricht zur Vorbereitung auf die Erstkommunion verwendete,
beschwerte sich der Vater eines betroffenen konfessionsfreien Kindes beim Landesschulrat
für Niederösterreich wegen der gesetzlich nicht gedeckten Praxis.
Der Landesschulrat gab dem Vater umgehend recht und untersagte die Erstkommunionsvorbereitung
im Rahmen des verpflichtenden Gesamtunterrichts; eine entsprechende Verwarnung
wurde auch seitens des Bezirksschulinspektorats ausgesprochen.
Es
sollte aber anders kommen: nachdem katholische Eltern sich bei Landeshauptmann
Erwin Pröll gegen das Verbot beschwerten – die außerschulische Erstkommunionsvorbereitung
am Nachmittag war ihnen nicht bequem – und die "Kronenzeitung" einschalteten,
intervenierten Pröll und der amtierende Landesschulratspräsident Hermann
Helm und hoben das zuvor ausgesprochene Verbot auf. Nachdem eine schriftliche
Beschwerde des Vaters beim Landesschulrat ignoriert wurde, brachte dieser eine
Maßnahmenbeschwerde gegen die Schule sowie gegen den Landesschulrat beim
zuständigen Verwaltungsgericht ein. Infolge von andauernden Beschimpfungen
und Boshaftigkeiten von Seiten der Mitschüler und Eltern sowie vor dem
Hintergrund der diesbezüglichen Inaktivität der Schuldirektion bzw.
der Klassenlehrerin, musste mittlerweile das betroffene Kind die Volksschule
Atzenbrugg-Heiligeneich verlassen.
Ende September ließ jedoch
das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit einem bizarren Urteil aufhorchen:
ohne auf die Beschwerde sachlich einzugehen, wies die Einzelrichterin – Recherchen
zufolge ein engagiertes Vorstandsmitglied eines Pfarrgemeinderates – die Beschwerde
zurück. Die Begründung: "Die Beschwerde wegen Verletzung
in Rechten durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls-
und Zwangsgewalt ist daher mangels eines zulässigen Anfechtungsgegenstandes
als unzulässig zurückzuweisen".
Für Eytan Reif, dem
Sprecher der "Initiative Religion ist Privatsache", die das Verfahren
seit Anbeginn unterstützt, veranschaulicht das Urteil "zum x-ten
Mal, dass wenn immer Religion im Spiel ist, die Rechtsstaatlichkeit in Österreich
das Nachsehen hat". Besonders empörend ist für Reif der Umstand,
dass Konfessionsfreie in Österreich sowohl seitens der Verwaltung als auch
seitens der Justiz als "Bürger zweiter Klasse behandelt werden",
für die "weder die in der österreichischen Verfassung verankerten
Grundrechte noch einschlägige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes
für Menschenrechte gelten". Für Reif das Urteil aber auch aus
rechtspolitischer Sicht sehr bedenklich: "Eltern, die aufgrund des Fehlverhaltens
eines Lehrers in ihren Grundrechten verletzt werden, würde künftig
kein Rechtsmittel zur Verfügung stehen, um ihr Recht gerichtlich einzuklagen.
Schon alleine aus diesem Grund darf dieses Urteil nicht rechtskräftig werden".
Dem
Beschwerdeführer räumt Religionsjurist Stefan Schima (Institut für
Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht der Uni Wien) spätestens
beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gute Erfolgschancen
ein. "Die in der Beschwerde genannten Verhaltensweisen stehen zweifelsohne
in einem Spannungsverhältnis zum 'Indoktrinationsverbot', wie es durch
mehrere Entscheidungen dieses Gerichtshofs abgesteckt bzw. umrissen wurde",
so Schima.