Über den muslimischen Judenhass

Amer Albayati am 17.2.2015 in "Die Presse":

Muslime müssen sich vom Ballast des Judenhasses loslösen
Warum der Antisemitismus unter Europas Muslimen so ausgeprägt ist.

Schon seit einiger Zeit ist in der islamischen Welt wie auch unter den in Europa lebenden Muslimen ein beunruhigender Anstieg von Antisemitismus und Hass auf die Juden feststellbar. Der Migrationsforscher Ruud Koopmans führte 2013 in sechs europäischen Staaten Untersuchungen durch, die ergaben, dass zwar auch unter den befragten Christen neun Prozent antisemitische Ressentiments artikulierten, aber unter den Muslimen waren es gleich fünfmal mehr.

Heuer sind es 70 Jahre, dass das NS-Regime kollabierte. Das sollte zum Anlass genommen werden, gemeinsam gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufzutreten und zu verhindern, dass Angehörige betroffener Menschengruppen selbst zu rassistischen Akteuren werden. Auch in Österreich sollten Initiativen gesetzt werden, die das friedliche und solidarische Zusammenleben der Religionen ermöglichen und fördern.

Im Koran wird ja auch aus jüdischen und christlichen religiösen Schriften zitiert. Alle drei Religionen berufen sich auf Abraham und sollten sich deshalb auch entsprechend respektieren. Sie sollten für die Beendigung gegenwärtiger Konflikte eintreten und vergangene Konflikte, die wiederholt ihren Niederschlag in religiösen Schriften gefunden haben, nicht wieder neu aufwärmen.

Zu Antisemiten erzogen

Muslime werden in ihren Herkunftsländern leider zu Antisemiten erzogen. Mit der Migration in nicht muslimische, europäische Gesellschaften ändert sich diese feindselige Einstellung gegenüber den Juden nicht, aus diesen Gründen ist der Anteil von Antisemiten unter den Muslimen überproportional hoch. Ähnlich feindselige Einstellungen gibt es auch gegenüber Christen und Vertretern anderer Religionsgemeinschaften, aber auch gegenüber den liberalen Muslimen sowie säkular eingestellten Menschen.

In meiner Heimat, dem Irak, gab es in früheren Zeiten durchaus Freundschaften zwischen Arabern und Juden, die oft als erfolgreiche Ärzte, Intellektuelle, Journalisten und Künstler geschätzt wurden. Als nach der Staatsgründung Israels 1948 Juden, die mit unserer Familie befreundet waren, auswanderten, sagten mein Vater und mein Großvater oft, dass sie ihre jüdischen Freunde vermissen würden.

Milliarden für die Fanatiker

Der Nahost-Konflikt stärkte die radikalen Islamisten und ihre Organisationen – und damit auch den Antisemitismus. Fatal war und ist die milliardenschwere Unterstützung, die die religiösen Fanatiker aus Saudiarabien, Katar und anderer Ölstaaten erhalten: Sie finanzieren damit den Terrorismus mit, der heute für Europa und inzwischen auch für sie selbst zur Bedrohung wird. Aber kein islamisches Land, keine islamische Organisation hat bis heute öffentlich dem Antisemitismus abgeschworen.

Eine Integration der Muslime in Europa ist nur möglich, wenn sie sich vom Ballast ihrer Vorurteile lösen und den Islam reformieren: Die heiligen Schriften müssen einer zeitgemäßen Interpretation unterzogen und dürfen nicht als sakrosankt betrachtet werden.

70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz sollten die Muslime mit einem Holocaust-Gedenkjahr versuchen, sich vom Vorwurf reinzuwaschen, nicht genug gegen den Antisemitismus zu tun. Wir brauchen eine breite und langfristige Aufklärungskampagne gegen den Antisemitismus unter den Muslimen, auch in Österreich.

Freilich, solange hier und in Europa nur die politisch organisierten Islamisten und ihre oft radikalen Organisationen unterstützt werden, wird die Integration von Muslimen scheitern und die Gefahr der Terrorismus wachsen.

Amer Albayati (*1942 in Bagdad) ist Journalist und Islamexperte, Präsident der Initiative Liberaler Muslime Österreich (ILMÖ).