Islamisierung III

Publiziert am 24. Februar 2015 von Wilfried Müller auf www.wissenbloggt.de

Der Titel ist bei Frank Berghaus geklaut, der unter Islamisierung I und II über Risiken und Nebenwirkungen der sogenannten Islamisierung geschrieben hat. Am 6.2. (aktualisiert 9.2.) hat ZEIT ONLINE ein Interview mit dem Ökonomen Paul Collier gebracht, in dem der Interviewer Philip Faigle ihm bedenkenswerte Antworten zu Fragen der Integration abverlangte.

Der lesenswerte dreiteilige Artikel heißt etwas reißerisch Migration "Wir reichen den Menschen den geladenen Revolver" (Bild: stevepb, pixabay). Inhaltlich geht es aber sachlich zu.
Der Oxford-Professor kann in seiner unaufgeregten Art Dinge aussprechen, die woanders zu heftigen Reaktionen führen würden. Er warnt vor falschen Tabus, und er findet Misstrauen gegen Migranten normal. Zugleich sagt er, dass Europas Migrationspolitik tötet. Ausgewogenheit auf allen Ebenen. Hier ein kurzes Referat über die inhaltlichen Schwerpunkte:

Bürgerprotest

Der Einstieg geht über Pegida, den Bürgerprotest gegen die "Islamisierung des Abendlandes". Die ausgewogene Antwort heißt, der dort geäußerte Hass sei unentschuldbar, man müsse sich aber mehr Mühe geben, solche extremen Bewegungen zu verstehen, zumal sie auch in anderen Ländern aufkommen.

Die Studien des Professors legen als Ursache nahe, dass die Politiker der Mitte es versäumt haben, das Thema Migrationspolitik zu besetzen. Es sei ein vertrauter Befund der akademischen Forschung, dass Menschen überall beunruhigt sind, wenn sich ihre vertraute gesellschaftliche Umgebung durch Einwanderung ändere. Nicht die Migration selbst verursache die Sorgen, sondern das Totschweigen des Themas durch die Politik.

Die Debatte sei emotional, lächerlich und polarisiert, weil sie in der  Frage gipfelt, ist Einwanderung gut oder schlecht? Die einen seien bedingungslos für mehr Einwanderung, die anderen lehnen sie pauschal ab. Die richtige und entscheidende Frage sei dagegen, wie viel Migration ist für alle am besten?

Wie viel Migration?

Das sei die wesentliche Frage für die reichen Länder, in die gewandert wird, und auch für die Herkunftsländer. Maßgeblich seien auch nicht die ökonomischen Folgen der Einwanderung, sondern die sozialen Folgen.

Und hier kommt die wesentliche Differenzierung:
Ein gewisses Maß an kultureller Verschiedenheit nutze einer Gesellschaft, weil die Migranten Innovation und Abwechslung bringen. Wenn die Gesellschaften zu ungleich werden, können aber negative Folgen eintreten. Je verschiedener die Gesellschaft zusammengesetzt ist, desto schwieriger werde die Kooperation innerhalb von solchen Systemen, darüber seien sich die Forscher einig.

Zu viel Migration könne daher schädlich sein, so Collier. Das wirke sich dann negativ auf die Großzügigkeit gegenüber den Bedürftigen aus, wie sie in den europäischen Gesellschaften herrscht. Ein zu hohes Maß an Migration senke die Bereitschaft von Gesellschaften, großzügige Sozialleistungen zu gewähren, wie zahlreiche Studien belegten. Die Gesellschaften sollten darüber verhandeln, welches Maß angemessen ist. Die Politik sollte zwischen den aufgeschlossenen Jungen und den eher misstrauischen Alten vermitteln.

Zwei Seiten

Das pauschale Argument, Deutschland müsse aus demografischen Gründen mehr Zuwanderung haben, hält Collier für einen "bizarren Irrtum". Immigration könne nicht die erste Wahl sein, um solch ein dauerhaftes Problem wie das demografische zu lösen. Man sollte anders anfangen, die Bevölkerung zu stabilisieren.

Man dürfe auch nicht vergessen, dass die Migration neben den Schwierigkeiten in unseren eigenen Ländern auch in den Herhunftsländern Probleme verursache. Dort entstehe ein Verlust, wenn sich talentierte Menschen auf die Reise machen, die zuhause als Motor von Fortschritt und Entwicklung dienen können. Das verzögere oft die Fähigkeit dieser Länder, zu den reicheren Ländern der Welt aufzuschließen.

Das rechtfertige die Aussage, wir lebten auf Kosten dieser Länder. Nur ein Land hindere seine Einwohner an der Ausreise, nämlich Nordkorea. Für alle anderen Länder sei unsere Migrationspolitik von Bedeutung, wir entscheiden dadurch auch über das Wohlergehen dieser Staaten.

Das Argument, die Immigranten würden viel Geld zurücküberweisen, hält Collier für "etwas gedankenfaul". Es kämen ja weniger die Bedürftigen zu uns, sondern Menschen mit vergleichsweise guter Ausbildung und ein wenig Geld. Auch in den Herkunftsländern sei das eine Frage des richtigen Maßes. Da könne die Auswanderung  positive Effekte haben, bis es zuviel wird, und dann nähmen diese Länder Schaden.

Die offene Tür

Tatsächlich sei dieser Punkt in vielen armen Ländern schon überschritten. Diese Länder erlebten einen Exodus. Das Paradox sei die Entwicklungshilfe auf der einen Seite und die schädliche Migrationspolitik auf der anderen Seite. Aber können die reichen Länder überhaupt beeinflussen, wer sich auf die Reise macht?

Hier redet Collier Klartext, wir sollten nicht aufhören, die Einwanderung zu steuern. Auf die Schwierigkeiten bei der Zuzugskontrolle hinzuweisen sei ein unehrliches Argument. Nach Umfragen sei zu erwarten, dass rund 40% der Einwohner ärmerer Länder gerne im reichen Teil der Erde leben wollten. Würde also Deutschland seine Tore aufmachen, würden diese Leute irgendwann kommen, deshalb sei die offene Tür ist keine Option.

Der Interviewer fragt nochmal nach, ob das so sicher sei. Collier gibt darauf zurück, dass es zwei entscheidende Faktoren für die weltweite Migration gebe. Das seien die Einkommenskluft zwischen den Staaten und die Größe der jeweiligen Diaspora ("Verstreutheit") in den Zuwanderungsländern.

Nun sei die Schere zwischen den reichen und armen Ländern der Erde in den vergangenen Jahrzehnten aufgegangen, was die Migration beschleunige. Auch durch die Diaspora werde die Zuwanderung weiter angetrieben. Irgendwann später mag sich die Situation ändern, aber bis dahin seien Einwanderungskontrollen kein Relikt aus rassistischen Zeiten, sondern ein absolut notwendiges Instrument.

Tödliche Politik

Auch wenn die Abriegelung der Grenzen so schreckliche Folgen hat wie im Mittelmeer, wo Tausende ertranken? Heißt das nicht, dass unsere Grenzpolitik Menschen tötet? Ja, sagt Collier, unsere Politik sei tödlich, denn wir machten den Menschen falsche Hoffnungen. Warum setze sich denn jemand in ein Boot und riskiere sein Leben?

Einmal natürlich, weil er 4.000 Dollar für die Schlepper aufgetrieben habe und bereit sei, ein Risiko einzugehen. Zum anderen, weil er weiß, er bekommt viel mehr Rechte, sobald er bis zum Strand von Lampedusa geschafft hat. Dieses unausgesprochene Versprechen locke die Menschen in die Boote, mit der Konsequenz, dass mittlerweile 17.000 Menschen gestorben sind.

Das führt zu dem Revolver-Spruch: Wir drücken den Menschen den geladenen Revolver in die Hand und sagen: Komm, spiel Russisch Roulette. Das sei keine moralisch robuste Position, sagt Collier, und nebenbei förderten wir eine kriminelle Industrie, die sich auf die Schlepperei von Flüchtlingen spezialisiert hat.

Alternative

Als Alternative müssten wir zuerst dafür sorgen, dass die wirklich Bedürftigen kommen, und dazu müsse das Asylverfahren dorthin verlagert werden, wo die Reise beginnt, also außerhalb Europas. Wer dort Asyl erhalte, solle auf legalem Weg kommen dürfen.

Aber wenn in den Flüchtlingscamps Hunderttausende in Not seien, wie soll dann entschieden werden, wer Asyl bekommt und wer nicht? Auf diese schwierige Frage stellt Collier die Gegenfrage: Wie wird es denn heute entscheiden ? Diejenigen werden belohnt, die 4.000 Dollar zusammenbekommen und genug risikobereit sind. Aber diese Leute seien nicht unbedingt diejenigen, die unsere Hilfe am ehesten benötigen, eher seien sie die Gewinner einer Lotterie, quasi nur die Spitze des Eisberges.

Darin sieht Collier ein Grundproblem unserer Politik. Wir müssten uns mehr um die Menschen kümmern, die zurückbleiben. Und wie das möglich sein soll? Collier schweben dazu kleine Fabriken vor, die für den Weltmarkt produzieren, und die Know-How ins Land bringen. Wenn der Westen dafür seine Handelsregeln ändern würde, könnte  er den Menschen in diesen Ländern langfristig helfen – soweit das Interview.

Wie real ist das?

Ob dieser Hilfsansatz in Ländern Erfolg haben kann, wo Anarchie oder Kleptokratie herrscht? Richtig erscheint der Gedanke, dass vor Ort gehandelt werden muss. Die schlechten Regime müssen zur Besserung gezwungen werden, damit der Anreiz geschaffen wird, zuhause erfolgreich zu werden. Aber wer enrtscheidet, was schlecht ist? Und was für Sanktionsmaßnahmen sollen ergriffen werden? Einmischungen von außen werden oft in Hass gegen den Einmischer umgesetzt.

Wenn man in den Steueroasen ansetzen könnte und den Kleptokraten das gestohlene Geld abnehmen könnte, wäre schon viel gewonnen. Da stellt sich aber erst recht die Frage, wie real ist das? In den letzten 30 Jahren haben nur die Steuerbehörden der USA durchgegriffen, und im Wesentlichen nur in der Schweiz. Alle anderen Erfolge kommen von Leaks und Steuer-CDs. Das besagt nix Gutes für die Chancen zur Besserung.

Links dazu:
Islam und der Westen im Krieg
Verrücktheiten um Islam und Islamkritik
Rechte Mitte
Risiko und Chance der Massenmigration