Waleed al-Husseini im Gespräch über seine Trennung vom Islam,
die Meinungsfreiheit von Atheisten und den Kampf der Islamisten gegen
den Liberalismus in säkularen Demokratien.
Können Sie kurz etwas zu Ihrem Werdegang erzählen?
Ich bin in Qalqilya geboren. Ich ging zur Schule und habe nach der
Wahrheit gesucht, also habe ich angefangen, über den Islam zu forschen.
Je mehr ich vorankam, desto mehr stellte ich mir die Frage: Weshalb wird
die Geschichte des Islam verschwiegen? Uns wird beispielsweise nicht
beigebracht, dass es Religiöse gewesen sind, welche die Werke des
Gelehrten Ibn-Rushd (Averroës) verbrannt haben. Uns wird nicht
beigebracht, dass der große Vorreiter der arabischen Literatur, Abdallah
Ibn al-Muqaffa, im Namen der Religion mit 35 Jahren hingerichtet wurde
und so weiter. Heute sind die zeitgenössischen muslimischen
Intellektuellen, Wissenschaftler und Denker ähnlichen Verfolgungen
ausgesetzt. Man erklärt uns, allein Allah kenne das Geheimnis des
Lebens. Für die Religiösen ist Denken haram. Ich glaube, eine meiner
größten Überraschungen war es, als mir klar wurde, wie das ziemlich
zügellose Sexualleben des Propheten von seinen Anhängern dargestellt
wird, nämlich einerseits um ihn freizusprechen, andererseits um
dieselben Praktiken fortzusetzen. Später war ich an der
arabisch-amerikanischen Universität von Zababdeh, in der Nähe von Jenin.
Dort habe ich mich in die Werke der westlichen Kultur vertieft, unter
anderem die von Darwin und Hawking, und habe festgestellt, dass die
meisten dieser Gelehrten und Wissenschaftler Atheisten sind. Sechs Jahre
habe ich gebraucht, um mich selbst vom Islam zu trennen und Atheist zu
werden. (…)
In Ihrem Blog haben Sie immer wieder betont, nie ein Feind der
Muslime gewesen zu sein: Es seien Ihre Menschenbrüder, wie Sie
schreiben. Weshalb haben Sie sich vom Islam getrennt?
Der Islam ist keine Religion der Toleranz. Es ist eine autoritäre
Religion, die Frauen steinigt, Homosexuelle von Dächern hinunterwirft
und stets zum Kampf gegen die Ungläubigen aufruft. Es ist auch keine
Religion, die für die Solidarität der Menschen untereinander eintritt,
sondern sie trennt die Welt in Gläubige und Ungläubige. Es gibt keine
Gleichheit und keine soziale Gerechtigkeit, das Sklaventum wird
anerkannt, Ungläubige können beraubt und Frauen vergewaltigt werden. Der
Islam verbannt jede Art von künstlerischem Schaffen, sei es Tanzen,
Singen, Malen, Komödie, Literatur oder Dichtung.
weiterlesen: Jungle World