ZEIT ONLINE befasst sich besonders kompetent mit Flüchtlingen und Zuwanderern. Am 17.5. schreibt die Zeit über Flüchtlinge - Neues Leben, all-inclusive: Wie das Geschäft der Schlepperbanden mit den Flüchtlingen organisiert wird. Die Rede ist von der internationalen Reiseindustrie für Menschen, denen legale Wege versperrt sind (Bild: 99pixel, piabay).
Zu den Erkenntnissen über die Migration gehört seit längerem die Feststellung, de facto bestimmen die Schlepperbanden, wer reinkommt. Die
Modalitäten der Migration werden weniger von der Politik festgesetzt,
sondern von einer weltweiten Industrie. Die verkauft den Weg zum
Sehnsuchtsort, und sie setzt Milliarden dabei um. Dabei hilft die
ungewollte Unterstützung der Politik, denn wer z.B. EU-Boden erreicht,
hat deutliche Vorteile gegenüber denen zuhause. Das ist ein ungerechtes
System, weil die Bessergestellten in den Herkunftsländern sich für
mehrere Jahreseinkommen Möglichkeiten erkaufen können, die den Ärmsten
der Armen verwehrt bleiben.
Wie die Zeit berichtet, gibt es viele Seiten im Internet, auf
denen alles angeboten wird, was der Emigrant braucht: Pässe,
Geburtsurkunden, Führerscheine und Fluchtrouten. Es geht bis zum
"All-inclusive-Paket" für Zehntausende von Dollars.
Wer so viel Geld anlegen kann, wird inwischen auch von EU-Regierungen umworben, wie die Zeit am 15.5. berichtete. Schengen-Raum – Ungarn verkauft Eintrittstickets in die EU: Die
Regierung in Budapest will Geld machen mit EU-Aufenthaltstiteln. Wer
zahlungskräftig ist, bekommt ungarische Visa – und das Versprechen,
Zugang in die EU zu haben.
Das richtet sich wohl mehr an Chinesen und Vietnamesen.
Doch die ungarische Regierung reiht sich damit bei den Schleppern vom
Hochpreissegment ein, und man fragt sich, wann andere Regierungen auf
dieselbe Idee verfallen. Griechenland nutzt die Erpressungspotentiale
besonders gut aus, also wann werden die Griechen mit Durchlassen oder
Reinlassen drohen? Zwar heißt es, wenn ein Mitgliedstaat mit der
Möglichkeit eines längeren Aufenthalts in einem anderen EU-Land werbe,
sei das nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Bittesehr, die Beständigkeit
des EU-Rechts wurde schon so weit wegerodiert, dass sich kaum noch
jemand darum schert.
Von derzeit 50 Millionen Fluchtwilligen ist die Rede, mit der
Perspektive, dass es auch zigmal mehr werden können – ein absoluter
Wachstumsmarkt. Die Anbieter haben das realisiert, und deshalb achten
die Schlepper normalerweise auf ihren Ruf. Wer dauerhaft am Markt
erfolgreich sein will, müsse ordentlich liefern, so die Zeit.
Die Informationen über die schlepperische Dienstleistung verbreite sich
ja schnell. Nur Milizen und Banden hätten oft kein Interesse an
längerfristigen Geschäftsbeziehungen; denen sei das Schicksal der
Passagiere egal. Die ließen sich vorab bezahlen und schicken dann ihre
Boote los. Zuweilen ohne Crew, so dass die Migranten auf die
Steuerautomatik vertrauen müssen, wenn sie die Schiffe nicht selbst
lenken können.
Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 17.5. schreibt, soll nun militärisch vorgegangen werden. Mittelmeer – Deutsche Marine soll Flüchtlingsboote nach Rettung von Migranten versenken: Die
deutschen Marineschiffe haben die Anweisung erhalten, die Boote von
Migranten auf dem Mittelmeer nach deren Rettung zu zerstören. So
wird im Kampf gegen die Schleuser "eine enge Zusammenarbeit zwischen EU
und Vereinten Nationen" angestrebt. Dazu müssten noch zahlreiche
rechtliche und praktische Fragen abgeklärt werden. Am 19.5. berieten die
Außen- und Verteidigungsminister der EU über die entsprechenden
EU-Pläne für einen Militäreinsatz im Mittelmeer.
Diese gewaltsame Lösung ist natürlich keine echte Lösung. Sie wird
schon als Scheinaktionismus abgestempelt, als Kampf gegen Symptome. Wer
sich an die Geschichte der Armutsflucht hält, dürfte auch Bedenken
kriegen. Vom Europa der Jahre 1824-1924 ging eine starke Emigration aus,
insgesamt 52 Millionen Menschen verließen den Kontinent (zumeist in
Richtung Amerika).
Damals herrschte Bevölkerungsexplosion in Europa, und der Druck baute
sich so ab. Jetzt ist die Bevölkerungsexplosion immer noch da (die
Bevölkerungsdichte Europas ist dicht am Allzeit-Hoch dran). Deshalb sind
die Bedingungen heute anders. Im Rest der Welt hat die Bevölkerung
auch stark zugenommen hat, und wenn nun ausgewandert wird, geht es
überall von einem übervölkerten Land in ein anderes übervölkertes Land.
Letztlich geht es um eine Neuverteilung der Übervölkerung. Das ist ein
Unterfangen, das eigentlich nicht den Schleppern überlassen werden
sollte – auch nicht, wenn es ungarische Hochpreis-Qualitäts-Schlepper
sind. Die EU-Politik ist anscheinend kaum imstande, das Problem zu
lösen, zumal sie viele Elemente des Problems selber schafft.
Sie unterstützt die von den USA angezettelten Kriege in Libyen, Irak,
Afghanistan militärisch oder mit Waffenhandel. Über die Handelsdominanz
unterstützt sie die Ausbeutung, die spekulative Landnahme, die
Überfischung. Mit den hiesigen Agrarüberschüssen (eher Abfällen) werden
die Märkte kaputtgemacht. Mit geduldeter Kapitalflucht in die
Steueroasen werden die kleptokratischen Eliten gefördert.
Statt militärischer Eingriffe sollte auf der Brüsseler Agenda stehen,
erst mal diese Ungerechtigkeiten aus der Welt zu schaffen. Solche
Vernunftreaktion ist aber nicht zu erwarten. Ehe es dazu kommt, müssen
anscheinend alle anderen Optionen durchgenommen werden. Wenn es nicht
die militärische Lösung ist, dann stehen wohl die Freiheiten zur
Disposition, die der Schengen-Raum bietet.
Neue Grenzkontrollen und sonstige Überwachung werden angedacht, um
Migrationshindernisse im Inneren von Schengenland aufzubauen. Weil die
Kontrolle nach außen nicht funktioniert (zumal wenn Staaten wie Ungarn
sie unterlaufen), werden bald wieder Kontrollen im Inneren fällig.
Sicher ist, dass die All-inclusive-Emigration ins neue Leben nur
begrenzt funktionieren kann. Mit militärischen Mitteln dagegen
anzugehen, sollte aber die letzte Option sein. Erst sollten die anderen
Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Beseitigung der Ungerechtigkeit,
Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort. Gerechte Aufnahme von Flüchtlingen nach
politisch definierten Schlüsseln statt nach Schleuserwillkür.
Zur Erinnerung: es gibt einen einen Staat in Europa, der auf seinen
staatlichen Status stolz ist, der besonders reich ist und trotzdem keine
Flüchtlinge aufnehmen mag: das ist der Vatikanstaat. Da gibts
kein Asylrecht, keine Anlaufstelle für Asylanten, kein Flüchtlingsheim,
keine finanzielle Hilfe. Nur schöne Worte vom Papst, Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Bei soviel Liebe wär's wohl übertrieben, auch noch schnöden Mammon rauszurücken, oder?
Links: Streit um Flüchtlinge und Islamisierung III