Nikolaus und Santa Claus

Am 5. 12 2015 schrieb Univ.Prof Roman Sandgruber unter dem Titel "Der Nikolaus als Asylwerber" in der Wochenendbeilage der OÖNachrichten über die Sage vom Bischof Nikolaus in Myra (heute Türkei), der im 4. Jahrhundert allerlei Wunder verübt haben soll und in Europa als Patron der Seeleute und Verteiler von milden Gaben verehrt wurde.

Sandgruber schreibt abschließend:
"Als Patron der Schiffsleute ist Nikolaus längst vergessen. Und als Wohltäter hat er sein Gesicht gewandelt. Zwar verursacht er bei Kindern immer noch Aufregung. Aber seine kirchliche Kleidung aus goldenem Mantel, hoher Bischofsmitra und langem Krummstab, die ja nur eine von der Kirche wenig geliebte Kostümierung darstellt, hat er abgelegt. Sie veränderte sich immer mehr in ein transkonfessionelles, besser gesagt amerikanisiertes Outfit aus wallendem Rauschebart, roter Zipfelmütze und wohl gefülltem Gabensack. Nur der dicke Bauch in rotem Talar erinnert noch an den Kirchenfürsten. Nikolaus ist zu einer kommerzialisierten Brauchtumsfigur geworden, deren christlicher Hintergrund längst verschwunden ist und die alle Konfessionsgrenzen überschritten hat.
Auch die Muslime haben den Noelbaba, den Weihnachtsmann, ins Herz geschlossen. In der nicht nur von Geschäfts-, sondern auch von Ideologieinteressen gespeisten Entkonfessionalisierung der christlichen Feste spielt der zum Weihnachtsmann mutierte Nikolaus eine zentrale Rolle. Er erinnert viel weniger als das Christkind an den einst christlichen Gehalt dieses Festes."

Da hätte der Herr Professor vielleicht ein bisschen googeln sollen!

Der europäische Weihnachtsmann mit Rauschebart und roter Zipfelmütze kommt aus den USA, erfunden wurde er allerdings nicht von Coca Cola, dieser Konzern hat die Figur durch ihre jährliche Verwendung in der Weihnachtsreklame seit 1931 jedoch sehr popularisiert.

Coca-Cola-Weihnachtsreklame 1956

Es war ein katholischer Brauch, am 6.12., dem Tag des heiligen Nikolaus, Kinder zu beschenken. Von Luther wurde das abgeschafft, weil er die Heiligenverehrung scharf ablehnte, dafür schuf er den Brauch, dass der "heilige Christ" zu Weihnachten Gaben brachte. Aus dieser Figur wurde dann volkstümlich das "Christkind", das nicht das Jesuskindlein ist, sondern so eine Art fliegende Fee! Hier zu sehen auf der ersten Seite des Kinderbuches "Struwwelpeter" von Heinrich Hoffmann aus dem Jahre 1845:


Sich zum Tag der Wintersonnenwende, wenn die Tage wieder länger wurden, zu beschenken, ist ein alter vorchristlicher Brauch! Die in der Jungsteinzeit errichtete Kultstätte Stonehenge wurde z.B. so ausgerichtet, dass die jeweiligen Jahreszeitenwenden durch den Sonnenstand erkannt werden konnten! In Russland gibt es weder den Nikolaus, noch den Weihnachtsmann, da verteilt "Väterchen Frost", russ. Djeduschka Moros, das heißt eigentlich Großväterchen Frost, zu Neujahr Geschenke.

Der Weihnachtsmann in Europa ist durch den Weihnachtsmann der USA geprägt. Allerdings gibt es in den USA keinen Christmas Man, sondern der heißt dort ganz schlicht, "Santa Claus"! Da sich aber in Europa der Brauch des Kinderbeschenkens am 6.12. (oder am Vorabend dieses Tages) gehalten hatte, konnte man nicht zu Weihnachten nochmals den Nikolaus beschäftigen! Und den "Weihnachtsmann" hatte es ja schon im 19. Jahrhundert ohne Coca Cola gegeben: Hoffmann von Fallersleben verwendete ihn 1835 in seinem Lied "Morgen kommt der Weihnachtsmann". Hier eine YouTube-Version mit dem Originaltext der 1. Strophe: als Geschenk wird Kriegsspielzeug erwartet:


Der Nikolaus und der Krampus waren in unseren Gegenden lange ein Paar, der Nikolaus, im Dialekt genannt "Nigl'ou", verteilte die Geschenke und der Krampus ("Krampal") drohte den schlimmen Kindern. Der Krampus findet heute in der drohfreien Kinderwelt keine Verwendung mehr und der Nikolaus ist auch eher in Pension.

Die von Prof. Sandgruber angeführte Entkonfessionalisierung hat vorsätzlich nicht stattgefunden, fast alle in vorchristlichen Zeiten vorhandene Jahreszeitenfeste wurden vom Christentum übernommen und in den Jahresablauf eingebaut. Nur der "Osterhase" als ehemals heidnisches Fruchtbarkeitssymbol hat die Christenzeit ausnahmsweise unbeschadet vom Christentum überlebt, er wurde christlich nie ideologisiert. Die alten Römer hatten am 25.12. das Fest "Sol Invictus", zur Wiederkehr der unbesiegten Sonne, darum wurde mit Einführung der christlichen Staatsreligion im vierten Jahrhundert der Geburtstag vom Jesus auf dieses Datum verlegt und die herrschenden Brauchtümer dazu übernommen. Mit der ständig zunehmenden Säkularisierung verlieren die aufgepfropften religiösen Elemente an Bedeutung, Weihnachten ist ein säkulares Familienfest.

"Von Ideologieinteressen gespeiste Entkonfessionalisierung der christlichen Feste" brauchte es keine, Ideologien halten sich so lange wie sie Bedürfnisse befriedigen und die Christenlehre befriedigt solche Bedürfnisse immer weniger: denn die dafür notwendige unhinterfragte heilige Einfalt hat in unseren Gegenden keine Massenverbreitung mehr.