"Glaube hat starke integrative Kraft"

Das äußerte der Kardinal und Wiener Erzbischof Schönborn in einem Interview vom 19.12.2015 mit "Regionalmedien", eine Reihe von Gratiswochenblättern werden von dieser Firma herausgegeben.

Einleitend heißt es dort: Für den Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, ist der Islam fixer Bestandteil der österreichischen Gesellschaft. "Unsere österreichischen muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gehören zu Österreich" (..). Schließlich gelte in Österreich die Religionsfreiheit. Derzeit leben rund 600.000 Muslime in Österreich, davon sind etwa 80 Prozent österreichische Staatsbürger.
Atheistische Anmerkung: Über Religionszugehörigkeiten gab es in Österreich letztmalig bei der Volkszählung 2001 eine amtliche Statistik, die Zahl 600.000 umfasst vermutlich alle Personen, die eine Herkunft aus Islamgegenden haben. Ähnliches gibt es bei den Serbisch-Orthodoxen, diese Kirche deklariert einfach alle Leute mit serbischer Abkunft für sich.

"Haben schon dramatischere Krisen bewältigt"
Der Flüchtlingsstrom und die damit steigende Zahl an Muslimen ängstigt den Erzbischof nicht. "Wir haben schon dramatischere Krisen bewältigt." Österreich habe aus der Geschichte heraus die Chance, ein Modell-Land für eine funktionierende Integration zu sein. Den nötigen Background liefere, so der Kardinal, die Zeit vom 18. bis ins späte 19. Jahrhundert. "In der Habsburger-Monarchie hat das Miteinander verschiedener Kulturen und Glaubensgemeinschaften in dieser Zeit hervorragend funktioniert."
Atheistische Anmerkung: Bestimmt! Im 20. Jahrhundert die Weltkriege oder das Massenelend der Dreißigerjahre und die klerikalfaschistische Diktatur, die massenhaft Österreicher in die Arme der Nazis trieb. Was nicht heißen soll, dass die aktuelle Situation vergleichbar dramatisch wäre, aber sie ist sicherlich dramatischer als die sonstigen Friedenszeiten.
Zum angeblichen hervorragenden Funktionieren des Miteinanders verschiedener Kulturen und Glaubensgemeinschaften in der Habsburger-Monarchie sollte sich der Herr Erzbischof vielleicht doch ein bisschen mehr Gedanken machen und Geschichte lernen. Führte das Habsburgerreich nicht den Titel "Völkerkerker"? Und was passierte nach der Niederlage im 1. Weltkrieg? Das hervorragende Miteinander zerplatzte innerhalb weniger Tage wie eine Seifenblase in neue Nationalstaaten.

Und auch der Kirche schreibt Kardinal Schönborn bei der Integration von Flüchtlingen eine wichtige Rolle zu. "Der christliche Glaube besitzt eine starke integrative Kraft." Das zeige sich laut dem Kardinal besonders bei christlichen Flüchtlingen. Hier funktioniere die Integration allein aufgrund der Glaubensgemeinschaft hervorragend. Dasselbe gelte für den Dialog zwischen Christen und Muslimen. Beispielgebend sei der intensive Dialog zwischen dem Iran und Österreich, der seit 20 Jahren auf verschiedenen Ebenen stattfinde.
Atheistische Anmerkung: Als nach 1945 vertriebene Volksdeutsche nach Österreich kamen, gab es zwar auch Probleme, die katholische Kirche hatte wenig Freude an der Rückkehr von seinerzeit vertriebenen Protestanten, von den am 1. Oktober 1948 in Österreich registrierten 328.798 Volksdeutschen gehörten etwa ein Viertel dieser Religion an. Da Österreich alleine an direkten Kriegsopfer über 300.000 Einwohner verloren hatte, war diese Zuwanderung keine Belastung, sondern ein Stütze des Wiederaufbaus! Mit dem Glauben hatte das wenig zu tun, aber mit der Sprache und dem europäischen Hintergrund, es gab keinen ernsthaften "Clash of Civilizations", auch wenn durchaus öfters Spannungen zwischen Volksdeutschen und Einheimischen entstanden! Innerhalb einer Generation erfolgte eine vollständige Assimilierung dieser Zuwanderer, das ist bei Migranten mit Islamhintergrund in der dritten Generation noch immer nicht ausreichend passiert, siehe etwa das Bildungsproblem: es besteht ein statistischer Zusammenhang zwischen der Zahl der Schulabsolventen mit nicht ausreichenden Fähigkeiten und der Zahl der Schüler mit Islamhintergrund, bildungsferne Traditionen lassen sich nicht so rasch überwinden und das behindert wiederum die Integration.
Dass sich Schönborn über den Dialog mit dem Gottesstaat Iran so freut, ist bezeichnend. In Österreich gab es so einen Gottesstaat letztmalig unter den Klerikalfaschisten Dollfuß und Schuschnigg.

"In Notlage Familie sicherstes Netzwerk"
1945 floh der Kardinal mit seiner Familie aus Böhmen nach Österreich. Diese Zeit habe ihn "sehr geprägt, und zwar ein Leben lang", so Kardinal Schönborn. Eines habe er dabei gelernt: "In der Notlage ist die Familie das sicherste Netzwerk." Sechs Jahre lang lebte er mit seiner Familie bei Verwandten, bis sie schließlich eine eigene erste Wohnung hatten. "Auch jetzt suchen viele Flüchtlinge bei Verwandten Schutz, die schon hier leben."
Angesprochen auf den oft beklagten Priestermangel antwortet Kardinal Schönborn differenziert: "Wir haben kaum Priestermangel in den Ballungsräumen, aber dafür am Land. Am Land erleben wir die Veränderung von der Dorf- zur Pendlerkultur. Das verändert das Dorf- und das Pfarrleben." Das kirchliche Leben verlagere sich zunehmend hin in geistlichen Zentren, zugleich werde die Kirche mobiler. Eine Chance sieht Schönborn in den Diakonen, jenen verheirateten Männer, die im Beruf stehen und sich kirchlich engagieren. "Sie werden das Bindeglied zwischen der traditionellen Pfarre mit ihrem Priester und der neuen mobilen Kirchengesellschaft sein."
Atheistische Anmerkung: Die meisten Volksdeutschen aus anderen Staaten hatten noch in dörflichen Familienverbänden gelebt und dadurch auch gemeinschaftlich die neue Lage bewältigt, damals waren Baugründe billig, es gab staatliche Hilfen und die neuen Österreicher errichteten Siedlungen, die oft spöttische Bezeichnungen wie "Batschka City" oder "Neubanat" erhielten, siehe Bild, bis es soweit war, lebte man in Barackenlagern.

Das Problem hatte Schönborn natürlich nicht! Die Schönborns waren bis zum Verbot des Adels im Jahre 1919 ein Grafengeschlecht gewesen und hatten in Österreich natürlich hilfreiche gutsituierte Verwandte, als Häuselbauer mussten die Schönborns darum nicht auftreten. In Wikipedia heißt es zu den Schönborns: "Ab 1701 regierten die Schönborn die reichsunmittelbare Herrschaft Wiesentheid in Unterfranken, wodurch sie in den Hochadel aufstiegen. Zugleich mit Wiesentheid waren durch Erbschaft Herrschaften in der Steiermark und in Kärnten sowie bald darauf durch Kauf in Niederösterreich, ab 1726 auch in Ungarn und gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Böhmen in den Familienbesitz gelangt". Dass der Nichtgraf Schönborn lobend und preisend der Monarchie nachweint, ist wenig überraschend...
Der Priestermangel wird ja durch den noch größeren Mangel an aktiven Gläubigen behoben. Trotz der Behauptung, es gebe in Ballungsräumen keinen Priestermangel, will Schönborn in den nächsten Jahren in seiner Diözese eine Zusammenlegung von Pfarren erreichen, bisher hat das nicht funktioniert. In der Stadt Wien gibt es 167 Pfarren und 648.197 Kirchenmitglieder, davon gehen zwei bis drei Prozent sonntags zur Messe, was bedeutet, dass etwa 100 Kirchbesucher pro Kirche auftreten, da könnte man wohl 80 % der Pfarren auflassen und auf eine mobile Kirchengesellschaft setzen. Da aber die paar Kirchgeher meistens alte Leute sind, die vielleicht nimmer sehr mobil sind und sich wohl auch nicht aus ihrer gewohnten Umgebung reißen lassen wollen, haben die seit 2012 eingeleiteten Bemühungen um eine Strukturbereinigung noch kaum was gebracht.
Der Glaube hat selbst unter katholischen Kirchenmitgliedern kaum noch eine integrative Kraft. Und im Islambereich hat der Glaube eine integrative Kraft bei der Etablierung von Parallelgesellschaften. So schaut's aus!