Angemessenes Verhalten in der Kirche

So titelte rp-online am 3.4.2016 einen Artikel zum "Weißen Sonntag", das ist der Sonntag nach dem Ostersonntag, an diesem Tag werden auch die Verabreichungen der Erstkommunionen an den katholischen Kirchennachwuchs durchgeführt.

Ich erinnere mich heute noch an meine 1955 erlittene "Erstkommunion".
Der Religionsunterricht erteilende Pfarrer hatte uns was vorgejubelt über dieses großartige Ereignis in unserem jungen Leben, mir ist das Ganze auf die Nerven gegangen, speziell die Beichte zu der wir getrieben wurden, um dort dem Pfarrer irgendeinen Blödsinn gemäß Beichtspiegel zu erzählen, also über versäumte Sonntagmessen, vergessene Morgen- und Abendgebete, Ungehorsam gegenüber den Eltern, Raufereien, unbefugtes Verspeisen von Süßigkeiten, Lügen u.ä. und dafür mit drei Vaterunser-Bußgebeten bestraft zu werden. Dann erhielten wir am Sonntag der Erstkommunion diese trockene kleine Oblate in den Hals geschoben und sollten glauben, dass das der "Leib des Herrn" wäre. Mir war das bloß eine weitere Bestätigung, dass Religion ein lästiger Quatsch ist. Aber der Auftrieb zur Erstkommunion war in den 1950er-Jahren auch für Kinder aus glaubenslosen Haushalten Pflicht, weil die Religionsfreiheit stand zwar in der Verfassung, in der Realität gab es sie leider noch nicht.

Heute ist das merkbar besser, es werden zwar immer noch viele Kinder katholisch getauft, aber es sind deutlich weniger als früher, es sind in Österreich z.B. in den letzten zehn Jahren die Erstkommunionen um rund ein Viertel zurückgegangen. Und wie dem o.a. Bericht zu entnehmen ist, jammern heutzutage Kirchenfunktionäre darüber, dass sich Kirchbesucher nicht mehr auskennten, was in einer Messe abläuft und wie man sich dort zu benehmen hätte.

Ein paar Zitate aus dem rp-Artikel:
"Immer mehr Menschen wirken im Gottesdienst verloren"
"Früher war es Pflicht, sonntags in die Kirche zu gehen. Heute gehen die Menschen nur in den Gottesdienst, wenn sie einen bestimmten Bedarf haben"
"Viele haben den Respekt vor der Kirche als heiligem Raum verloren. Sie sitzen dort wie im Kino, spielen mit dem Handy, essen und trinken"
die Kinder wären auf die Kommunionsmesse vorbereitet worden, "ihre Eltern aber sind oft entwöhnt"
"Vor Jahrzehnten ist man in das richtige Verhalten sozusagen hineingewachsen. Das gibt es heute nicht mehr" ...

Und das wird so weitergehen, die Taufen werden noch weniger werden, das Desinteresse der Erwachsenen wird weiter zunehmen. Bei den Protestanten kommt es bereits vor, dass sonntags mancher Pfarrer alleine in seiner Kirche sitzt, da müssen sich die Katholiken noch bemühen, um auch ihren Priestern einen arbeitsfreien Sonntag zu ermöglichen.

Und als Abschluss eine Anekdote über die Kirchenferne der Menschen aus meinem eigenen Kirchenleben: Eine Verabschiedung ohne Beisetzung brachte alle Teilnehmer einer Trauerfeier in einen katholischen Gottesdienst. Der Verstorbene war beliebt und bekannt gewesen, die Kirche war daher voller als bei einer gewöhnlichen Sonntagsmesse. Der vortragende Priester sah sogleich, dass er einer großen Schar von gottesdienstlich Unkundigen gegenüberstand. Darum deutete er während der Messe mit Handbewegungen an, wann sich die Trauergemeinde erheben und wieder setzen sollte. Einmal vergaß er auf das "Sitz"-Kommando und die Leute blieben stehen und warteten auf die entsprechende Handbewegung. Da merkte ich aus den Augenwinkeln, dass sich ganz außen rechts vorne - außerhalb des Blickwinkels der Trauergemeinde, diese blickte nach links vorne auf den Priester - eine kleine Gruppe von Gottesdienstkundigen bereits niedergelassen hatte. Ich blickte um mich: alle anderen standen. Da setzte ich mich hin. Und auf diesen Akt des ahnungslosen Atheisten folgte "die Welle": die hinter mir setzten sich, die vor mir hörten die Sitzgeräusche, blickten zurück und setzten sich auch, fünf Sekunden später saß die ganze Kirche! Die Masse der Teilnehmer an dieser Verabschiedung hatte eben keine Ahnung vom Ablauf einer Messe, ich natürlich auch nicht, ich bemerkte es zufällig und wurde sozusagen zum Niedersitz-Leithammel...

Und das Schöne daran: diese Entwicklung der Religionsferne ist nicht mehr umkehrbar, sie wird sich von Jahr zu Jahr noch verstärken, sonntags in die Kirche zu gehen, wird den Menschen immer mehr als eine absonderliche Seltsamkeit von seltsamen Leuten erscheinen. Gegen hundert Prozent tendierend wird es das angemessene Verhalten zur Kirche sein, sich von dieser fernzuhalten. Was auch den formalen Mitgliederbestand zunehmend stärker schrumpfen lassen wird...